Runder Tisch zur Hebammenhilfe gestartet
Expertengremium soll Lösungen und Strategien zur Sicherung der Versorgung entwickeln
- Erschienen am - PresemitteilungBrandenburgs Landesregierung setzt sich aktiv für eine gesicherte flächendeckende und qualitativ hochwertige Hebammenversorgung ein. Um innovative Konzepte, Lösungsstrategien und Modellprojekte zu entwickeln, startet am heutigen Montag in der Potsdamer Staatskanzlei unter der Federführung des Gesundheitsministeriums der „Runde Tisch Hebammenhilfe“ seinen landesweiten Dialog. Der „Runde Tisch Hebammenhilfe“ ist mit Expertinnen und Experten sowie relevanten Akteurinnen und Akteuren besetzt. Seine Einberufung geht auf einen Landtagsbeschluss vom 13. Dezember 2023 zurück, der seinerseits auf den Ergebnissen des im vergangenen Herbst vorgestellten Hebammengutachtens aufbaut. Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher beschrieb in ihrem Grußwort zur Eröffnung des „Runden Tisches“ die großen Herausforderungen bei der Hebammenversorgung im Land.
Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher: „Wir stehen mitten in einem umfassenden Strukturwandel, der unter anderem die gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen tiefgreifend verändern wird. Fast ein Drittel aller Hebammen geht bis 2030 in Brandenburg in Rente, andere spielen mit dem Gedanken, den Beruf zu wechseln. Gleichzeitig gehen die Geburtenzahlen weiter zurück, insbesondere die ländlichen, berlinfernen Regionen sind betroffen. Derzeit wird die Versorgungssicherheit dort von kleinen Kliniken noch aufrechterhalten. Aber der Kostendruck insgesamt und insbesondere auf diese kleinen Kliniken hat sich kontinuierlich erhöht, der Fachkräftemangel macht sich zunehmend bemerkbar und die endgültige Ausgestaltung der Krankenhausreform steht noch nicht fest. Wir müssen und werden also gegensteuern, damit wir weiterhin eine verlässliche, qualitativ hochwertige und möglichst wohnortnahe stationäre geburtshilfliche sowie ambulante Versorgung mit Hebammenhilfe in ganz Bandenburg gewährleisten können. Ich danke allen Teilnehmenden herzlich, dass sie ihre Kompetenz und Erfahrung einbringen, um gemeinsam an diesem großen Ziel zu arbeiten.“
Zugleich hob die Ministerin auch die erreichten Erfolge hervor: „In den letzten Jahren konnten wir die Zahl der Hebammen bereits deutlich steigern. Rund 100 Frauen – und damit so viele wie noch nie – werden derzeit fachschulisch und akademisch in Brandenburg zu Hebammen ausgebildet. Möglich wurde das durch die Etablierung der zwei Brandenburger Hebammenstudiengänge an der BTU in Senftenberg seit dem Herbst 2021 und an der neugegründeten Hochschule für Gesundheitsfachberufe in Eberswalde seit dem Herbst 2023.“
Gemäß Viertem Krankenhausplan verfügen insgesamt 25 Krankenhausstandorte im Land Brandenburg über eine Geburtshilfe, von denen aktuell drei geschlossen sind: Rathenow (seit Januar 2021), Templin (seit Mitte April 2023) und Eisenhüttenstadt (seit Juli 2023).
Die Geburtenzahlen in den Brandenburger Kliniken sind in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Wurden im Jahr 2021 in 24 Brandenburger Geburtskliniken noch insgesamt 14.928 Geburten registriert, waren es 2022 nur noch 13.589 und im Jahr 2023 sogar lediglich 12.110. Das entspricht einem Rückgang von 18 Prozent seit 2021. Die durchschnittliche Zahl von Geburten je Klinik sank von 622 im Jahr 2021 auf 555 im vergangenen Jahr.
Der Geburtenrückgang wird nach den Bevölkerungsprognosen in den kommenden Jahren weiter anhalten. Bis zum Jahr 2030 wird laut der mittleren Prognose die Geburtenzahl im Vergleich zu 2019 um elf Prozent sinken, regional allerdings unterschiedlich stark: Während im Berliner Umland ein Minus von vier Prozent erwartet wird, sind es in berlinfernen Regionen bis zu minus 17 Prozent. Sinkende Geburtenzahlen beeinträchtigen die Wirtschaftlichkeit der Kliniken und schränken zudem die Ausbildungsmöglichkeiten ein. Dies droht die ohnehin bereits bestehenden Fachkräfteengpässe in der Zukunft weiter zu verschärfen, wenn nicht gezielt gegengesteuert wird.
Laut Hebammengutachten sind in Brandenburg 2021 schätzungsweise 601 Hebammen beruflich aktiv gewesen, davon waren rund ein Viertel sowohl freiberuflich als auch angestellt tätig. Die Zahl der freiberuflich tätigen Hebammen ist zwischen 2010 und 2021 um 20 Prozent auf 503 (2021) gestiegen, die der angestellt tätigen Hebammen um 42 Prozent auf 248 (2020). Im Jahr 2022 ist bei der Zahl der fest angestellten Hebammen ein weiterer Anstieg auf 261 Hebammen zu verzeichnen (dies entspricht einem Zuwachs von gut 49 Prozent seit 2010).
Die Zahl der in Kliniken beschäftigten freiberuflichen Beleghebammen unterliegt in den letzten Jahren einigen Schwankungen. Sie lag im Jahr 2020 mit 40 deutlich über dem Niveau von 2010 (17), war aber seit ihrem Höchststand 2017 (57) kontinuierlich gesunken. Seit 2020 ist wieder ein leichter Anstieg zu verzeichnen, so dass 2022 insgesamt 48 Beleghebammen in Brandenburger Kliniken in der Geburtshilfe aktiv waren.
Rund ein Drittel der Hebammen erreicht in den nächsten zehn Jahren das Rentenalter
Im Jahr 2021 waren 35 Prozent der Hebammen 55 Jahre oder älter. Diese Hebammen erreichen damit in den nächsten zehn Jahren das Rentenalter. Dies betrifft auch die Geburtskliniken – dort überwiegen die angestellten Hebammen im Alter von 50 Jahren und älter mit einem Anteil von rund 43 Prozent. Für die Beleghebammen gilt dies in noch stärkerem Maße: Mehr als zwei Drittel sind mindestens 50 Jahre alt.
Laut Hebammengutachten sind mehr als drei Viertel der Brandenburger Mütter mit der stationären Hebammenversorgung und Geburtshilfe zufrieden oder sehr zufrieden, sowohl im Berliner Umland als auch in den berlinfernen Regionen. Mit der Betreuung auf der Wochenbettstation oder auf der Neu-/Frühgeborenenstation sind knapp zwei Drittel zufrieden oder sehr zufrieden. Ein Grund für diese geringere Zufriedenheitsquote dürften auch die durch die Corona-Pandemie bedingten Besuchs-Restriktionen im Erhebungszeitraum gewesen sein, so die Gutachter.
Bei der Auswahl einer Klinik spielen für Frauen vor allem ihre gute Erreichbarkeit und die Versorgungsmöglichkeiten im Notfall (Neonatologie, Kinderklinik) eine Rolle. Insgesamt waren 87 Prozent der befragten Mütter mit der Erreichbarkeit ih-rer Geburtsklinik eher oder sehr zufrieden.
Hebammen-Förderrichtlinie des Landes Brandenburg
Mit der Hebammen-Förderrichtlinie unterstützt die Landesregierung seit August 2020 Hebammen finanziell bei der Ausbildungsbegleitung (Externat), bei der Gründung einer eigenen Praxis und bei Fortbildungen. Dafür stehen pro Jahr bis zu 250.000 Euro zur Verfügung.
Seit August 2020 bis Ende April 2024 wurden 58 Praxisgründungen bzw. Neu-Niederlassungen von Hebammen und fünf Geburtshausgründungen und in einigen Fällen auch der Wiedereinstieg von freiberuflich tätigen Hebammen in die Geburtshilfe unterstützt. Brandenburg ist neben Bayern und Sachsen das einzige Bundesland, das eine solche Förderung für Hebammen anbietet.
Die Förderung kann beim Landesamt für Soziales und Versorgung (LASV) bean-tragt werden: https://lasv.brandenburg.de/lasv/de/zuwendungen/gesundheit/.
Hintergrund zum Gutachten
Für die Untersuchung hatte ein IGES-Expertenteam Hebammen, Hebammenschü-lerinnen, Geburtskliniken und Geburtshäuser, Gesundheitsämter sowie gut 1.000 Mütter befragt, deren Kinder zwischen Mai 2020 und Juni 2021 geboren wurden. Ergänzend wurden Fachliteratur sowie Bevölkerungsstatistiken ausgewertet und Erreichbarkeitsanalysen durchgeführt.
Das Gutachten nebst einer Kurzfassung findet sich auf der Website des Ministeriums unter: https://msgiv.brandenburg.de/msgiv/de/presse/pressemitteilungen/detail/~04-09-2023-vorstellung-hebammengutachten