Stärkere Vernetzung für geschlechtergerechten Strukturwandel - Sächsische und Brandenburger Delegation für die Lausitz in Brüssel
Gleichstellungsministerin Katja Meier und die Brandenburger Sozialministerin, Ursula Nonnemacher, reisten mit dem Bündnis der Kommunalen Gleichstellungsbeauftragten der Lausitz nach Brüssel.
- Erschienen am - PresemitteilungBegleitet wurden sie am Mittwoch und Donnerstag von den Staatssekretärinnen des Sächsischen Ministeriums der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung (SMJusDEG) und des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg (MSGIV), Dr. Gesine Märtens und Dr. Antje Töpfer, sowie der Brandenburger Landesgleichstellungsbeauftragten Manuela Dörnenburg und Dr. Julia Gabler, Leiterin des TRAWOS-Instituts für Transformation, Wohnen und soziale Raumentwicklung der Hochschule Zittau/Görlitz.
Die Delegation unterstützt das Bündnis der Kommunalen Gleichstellungsbeauftragten der Lausitz in seinem Anliegen, den Strukturwandel geschlechtergerecht zu gestalten. In Brüssel tauschten sich die Teilnehmerinnen mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments sowie mit Vertreterinnen und Vertretern der Europäischen Kommission aus.
Zudem stellten Dr. Claudia Schöning-Kalender, Vorsitzende des Gleichstellungsausschusses im Rat der Gemeinden und Regionen Europas, Karen Kühne, Deutsche Sektion des Rates der Gemeinden und Regionen Europas und Dr. Arn Sauer, Direktor Bundesstiftung Gleichstellung, die novellierte Europäische Charta für die Gleichstellung von Frauen und Männern auf kommunaler und regionaler Ebene vor. Der darin überarbeitete Artikel 31 beinhaltetet nun, dass die Gleichstellung der Geschlechter eine Triebfeder für nachhaltige Entwicklung und die Zukunft ist.
Gleichstellungsministerin Katja Meier: »Wir wollen, dass die Lausitz ein Modell wird für Regionen im Strukturwandel. Frauen sind dabei die treibende Kraft. In intensiven Gesprächen haben wir in den vergangenen zwei Tagen neue Ideen für eine geschlechtergerechte Entwicklung der ostdeutschen Strukturwandelregionen gesammelt und ausgetauscht. Vor 30 Jahren hatte der Transformationsprozess nicht alle Menschen im Blick, was zur Folge hatte, dass viele Frauen wegen fehlender Arbeitsplätze die Region verlassen haben. Genau diese Frauen fehlen heute. Wenn wir wollen, dass die Strukturwandelregionen langfristig wirtschaftlich und gesellschaftlich erfolgreich sind, brauchen wir eine korrigierende Gleichstellungsfinanzierung aus den Europäischen Strukturfonds, um wenigstens der nächsten Generation eine Bleibeperspektive zu geben.«
In den Gesprächen thematisierten die Teilnehmerinnen unter anderem die einseitige Fokussierung auf Industriearbeitsplätze in den Strukturwandelregionen. Wichtig sei auch eine valide Datengrundlage, die nachweist, dass Fragen der Geschlechtergerechtigkeit maßgeblich für die Aufrechterhaltung der demokratischen und gesamtgesellschaftlichen Strukturen vor Ort sind.
Ursula Nonnemacher, Brandenburger Ministerin für Soziales: »Mit dem Strukturwandel nach der Wiedervereinigung hat die Lausitz viele tatkräftige Frauen verloren. Jetzt gilt es beim Kohleausstieg die Lausitz zur Vorreiterin für Chancengleichheit zu machen, denn ohne Frauen gibt es keine Entwicklung in einer Region. Dafür braucht es mehr von ihnen in den Gremien. Strukturwandel ist keine Männersache. Die Europäische Union ist ein wichtiger Teil in vielen Transformationsprozessen, deswegen muss sie eine ausreichende Beteiligung von Frauen sichern. Mein besonderer Dank gilt daher dem Bündnis der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten der Lausitz, dass sie diese Botschaft mit nach Brüssel gebracht haben.«
Am Donnerstag hatten beide Ministerinnen zur Podiumsdiskussion eingeladen. Zum Thema »Strukturwandel in europäischen Regionen: Warum die Geschlechtergerechtigkeit eine wichtige Voraussetzung für eine Erfolgsstory ist!« tauschten sie sich mit Ihren vielfältigen Gästen aus:
- Alexandra Geese, MdEP,
- Monika Hencsey, Direktorin in der Generaldirektion Regionalpolitik und Stadtentwicklung der Europäischen Kommission,
- Katja Lenzing, stellvertretende Referatsleiterin in der Generaldirektion Justiz und Verbraucher der Europäischen Kommission,
- Rachel Lancry Beaumont, Referatsleiterin der Fachkommission COTER des Europäischen Ausschuss der Regionen,
- Julia Gabler, Leiterin des TRAWOS-Instituts für Transformation, Wohnen und soziale Raumentwicklung der Hochschule Zittau/Görlitz.
Sowohl in den Grußworten als auch in der sich anschließenden Diskussion betonten die Teilnehmenden, dass es für einen gerechten Übergang und Strukturwandel der Teilhabe von Frauen zwingend bedarf. Der Weggang zahlreicher gut ausgebildeter junger Frauen sei nicht nur ein erheblicher wirtschaftlicher Standortnachteil, sondern führe auch gesamtgesellschaftlich zu verheerenden Entwicklungen, was etwa demografische, demokratische und kulturelle Fragen betrifft. Deswegen sei es von überragender Bedeutung, weibliche Sichtweisen und Notwendigkeiten zumindest in den aktuellen Strukturwandelprozessen stets zu berücksichtigen. Erforderlich hierfür sei eine paritätische Teilhabe von Frauen in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen, besonders in politischen Entscheidungsgremien und der Wirtschaft. Europäische Institutionen und Förderprogramme müssten dies stärker berücksichtigen und die Einhaltung diesbezüglicher Standards nachhaltig einfordern und kontrollieren. »Wenn wir die Geschlechtergerechtigkeit nicht voranbringen, ist die europäische Idee in Gefahr«, betont das Lausitzer Bündnis.
Der zweitägige Fachaustausch und die zahlreichen persönlichen Kontakte haben einen ersten Grundstein für eine europaweite und Ebenen-übergreifende Vernetzung von mit den diversen Fragen des Strukturwandels befassten Akteurinnen und Akteuren gelegt.
Hintergrund
Seit 2021 arbeiten das SMJusDEG und das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg (MSGIV) eng mit dem Bündnis der Kommunalen Gleichstellungsbeauftragten der Lausitz zusammen. Mehrere europäische Länder stehen aufgrund des Klimawandels vor dem Ausstieg aus der Kohlenutzung. Alle betroffenen Länder und Regionen stehen vor ähnlichen Herausforderungen, den Strukturwandel zu gestalten. Dazu zählen unter anderem der demographische Wandel, Fachkräftemangel, Verwerfungen im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt oder auch die Digitalisierung. Europäisches Ziel ist es, Transformationsprozesse geschlechtergerecht zu gestalten. Die Diskussion dazu wurde bereits im Rahmen der Just Transition Plattform begonnen, die die Mitgliedsländer der Union auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft bis 2050 unterstützt
Der Strukturwandel stellt nicht nur in der Lausitz eine große gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar. Die im Freistaat Sachsen und im Land Brandenburg gelegene traditionsreiche Kohleregion ist jedoch von den Veränderungen besonders tiefgreifend betroffen, denn gerade in den Jahren nach dem Fall der Mauer sind hier vor allem Frauen abgewandert. Heute macht sich ihr Fehlen deutlich bemerkbar: In der Region leben deutlich weniger junge Frauen als Männer. Gut ausgebildete Frauen verlassen häufiger die Lausitz oder ziehen gar nicht erst in die Region. Dieser Mangel hemmt sozioökonomische, demographische, gesellschaftliche und demokratische Entwicklungen. Bürgerschaftliches Engagement, kreative Potentiale und Impulse und der soziale Zusammenhalt fallen schwächer aus. Und auch auf politischer Ebene sind Frauen unterrepräsentiert.
Die Kommunalen Gleichstellungsbeauftragten der Region bringen sich seit mehreren Jahren in die Prozesse zur Gestaltung der Zukunft der Lausitz ein. Sie haben in den vergangenen drei Jahren dazu beigetragen, dass die Fragen nach Geschlechtergerechtigkeit in die Diskussionen um den Strukturwandel der Lausitz Einzug erhalten haben. Unter anderem hat das Bündnis die überregional aufgestellte Strukturwandelkonferenz »Struktur wandel dich – Struktur, wir wandeln dich. Mehr Geschlechtergerechtigkeit im Strukturwandel« organisiert, bei der Bundes-, Länder-, kommunale, aber auch zivilgesellschaftliche Ebenen miteinander ins Gespräch kamen. Der Landtag Brandenburg hat bereits im März 2022 bereits beschlossen, weibliche Perspektiven im Strukturwandel zu stärken (Drucksache 7/5259).