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Diskriminierung weiter zurückdrängen - Erste Studie zur Lebenssituation von queeren Menschen in Brandenburg

- Erschienen am 26.02.2018 - Presemitteilung 035/2018

Fast die Hälfte (48 Prozent) aller lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgender, trans- und intersexuellen sowie queeren Menschen in Brandenburg haben innerhalb der vergangenen fünf Jahre Diskriminierung erfahren. Das sind die Ergebnisse einer Online-Befragung, die Sozialministerin Diana Golze heute bei einem Fachgespräch in Potsdam vorgestellt hat. Golze: „Die Ergebnisse der Studie machen betroffen. Trans*Menschen leiden besonders stark unter Ausgrenzung. Zu denken gibt mir auch, dass die Diskriminierungserfahrungen von Jugendlichen in ihren Familien und der Schule als stark belastend empfunden werden – in einer Entwicklungsphase rund um ihr eigenes Coming-out, in der sie eigentlich besondere Sicherheit und Geborgenheit brauchen. Die Studie zeigt, dass queere Menschen bei aller rechtlichen Gleichstellung in der Praxis oft noch benachteiligt oder ausgegrenzt werden.“

Die Befragung wurde im Rahmen der Erarbeitung des „Aktionsplans für Akzeptanz von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt, für Selbstbestimmung und gegen Homo- und Transphobie in Brandenburg“ (kurz: „Aktionsplan Queeres Brandenburg“) durchgeführt. Erkenntnisse sind in den Aktionsplanprozess eingeflossen. Mehr als 300 Menschen haben über die Online-Plattform Auskunft zu ihren Erfahrungen in verschiedenen Lebenssituationen gegeben – von der Familie über Schule, Beruf, Sportverein, Arztpraxis bis hin zur Polizeiwache.

Golze: „Zum ersten Mal haben wir nun einen authentischen Einblick, wie queere Menschen in Brandenburg ihren Alltag selbst einschätzen und welche Erfahrungen sie gemacht haben. Die Resonanz war gut, ich danke allen Teilnehmenden herzlich. Bei allen erreichten Fortschritten bleibt noch viel zu tun. Es kommt nun darauf an, den „Aktionsplan Queeres Brandenburg“ mit Leben zu erfüllen und gemeinsam daran zu arbeiten, dass die Vielfalt von Lebensweisen in Brandenburg noch selbstverständlicher wird.“

Grundsätzlich sind die Brandenburgerinnen und Brandenburger mehr als 300 Jahre nach dem Toleranzedikt von Potsdam vergleichsweise aufgeschlossen gegenüber vielfältigen Lebensweisen. Laut einer bundesweiten Studie würden es 70 Prozent der Brandenburgerinnen und Brandenburger begrüßen, wenn nebenan ein lesbisches oder schwules Paar einzieht. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass lesbische, schwule oder etwa Trans*Menschen im Alltag auch heute noch Vorurteilen, Intoleranz und Unkenntnis begegnen.

Einige Ergebnisse der Online-Befragung:

  • Am häufigsten waren mit 77 Prozent Transsexuelle und Transgender von Diskriminierung betroffen. Bei Lesben waren es 54 Prozent, bei Schwulen 41 Prozent und bei Bisexuellen 32 Prozent.

  • Die Diskriminierungserfahrungen waren in der Stadt mit 53 Prozent wesentlich höher als auf dem Land (39 Prozent) – was möglicherweise daran liegen könnte, dass die Menschen anders als in der Stadt dort öfter ihre Identität nicht preisgeben. Hauptorte der Diskriminierung waren die Familie und der öffentliche Raum, in der jeweils 43 Prozent der Betroffenen negative Erfahrungen machten. In Freizeit und Schule waren es jeweils 41 Prozent. An Hochschulen (18 Prozent) sowie bei Polizei und in der Justiz (14 Prozent) wurde vergleichsweise von wenig negativen Erfahrungen berichtet.

  • Im Bildungssektor insgesamt gab es weniger Diskriminierung als  bei vergleichbaren Befragungen in anderen Bundesländern. In Brandenburg haben „nur“ 41 Prozent der Befragten negative Erfahrungen an Schulen und 18 Prozent an Hochschulen gemacht. In Baden-Württemberg waren es 77 Prozent an den Schulen und 55 Prozent an den Hochschulen. Aber: Hierzulande hat sich nur ein Viertel der Befragten gegenüber dem Lehrpersonal und nur die Hälfte gegenüber den Gleichaltrigen geoutet.

  • Am Arbeits- oder Ausbildungsplatz sehen sich 38 Prozent der Befragten diskriminiert – durch Nicht-Ernstnehmen, Lästern, unangenehme Witze bis hin zu Nachteilen beispielsweise bei der Stellenvergabe oder der beruflichen Weiterentwicklung.

  • Jede sechste befragte Person erlebte innerhalb der vergangenen fünf Jahre Gewalt oder ein Verbrechen aufgrund der sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität. Die Dunkelziffer ist hoch: Nur ein knappes Drittel der Angriffe wird angezeigt. Dabei fühlten sich die Betroffenen von der Polizei mehrheitlich ernstgenommen und erlebten entgegen ihrer Erwartungen eine sachliche und kompetente Bearbeitung ihres Falls.

Bei der Befragung handelt es sich um eine standardisierte Befragung zur Lebenssituation von queeren Menschen (so genannte „Dunkelfeldstudie“ oder „Betroffenenbefragung“), die in vergleichbarer Form bereits in Rheinland-Pfalz (2013) und Baden-Württemberg (2014) durchgeführt wurde.

Die Teilnehmenden konnten anonym den Fragebogen über eine Online-Plattform ausfüllen. Die Antworten zeigen ein realistisches Abbild der verschiedenen Identitäten: So gaben 36 Prozent der Teilnehmenden an, schwul zu sein, 33 Prozent waren lesbisch, elf Prozent transgender oder transsexuell, zwei Prozent asexuell und ein Prozent intersexuell oder intergeschlechtlich.