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„Brandenburg ist ein solidarisches Land“

Rede von Integrationsministerin Ursula Nonnemacher im Landtag Brandenburg am 22. März 2023 in der Aktuellen Stunde zum Thema „Brandenburg nimmt Geflüchtete auf - Uns leitet Recht, nicht Herkunft“

- Erschienen am 22.03.2023 - Presemitteilung Rede
Integrationsministerin Ursula Nonnemacher redet im Landtag Brandenburg am 22. März 2023 in der Aktuellen Stunde zum Thema „Brandenburg nimmt Geflüchtete auf - Uns leitet Recht, nicht Herkunft"

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrte Damen und Herren,

Brandenburg nimmt Geflüchtete auf und Brandenburg ist ein solidarisches Land - und wird es auch weiterhin bleiben. Die Mehrheit der Menschen im Land Brandenburg unterstützt die Menschen, die bei uns Zuflucht und Hilfe suchen. Gerade die große Unterstützung für die ukrainischen Geflüchteten hat dies eindrucksvoll gezeigt.

Solidarität bedeutet eine gemeinsame Verantwortung für alle Menschen, die in diesem Land leben, wie für Menschen, die vor Krieg, Verfolgung oder Unterdrückung aus ihren Heimatländern fliehen müssen.

Das Handeln der Landesregierung wird dabei neben der Solidarität immer auch von Recht und der Einhaltung der Gesetze geleitet. Ich bin froh darüber, dass wir hier im Haus in diesen Punkten eine so große Einigkeit haben.

Zur gemeinsamen Verantwortung gehört auch die Verpflichtung, die Kommunen bei der Bewältigung ihrer Aufgaben der Unterbringung, Versorgung und Betreuung der geflüchteten Menschen nach allen Kräften zu unterstützen.

Denn die Kommunen sind es, die täglich die größten Herausforderungen meistern. Die Landkreise und kreisfreien Städte sind es, die zusammen mit ihren kreisangehörigen Städten und Gemeinden die Unterkünfte zur Verfügung stellen, die Betreuung organisieren, die soziale Infrastruktur, Kitas und Schulen bereitstellen. Und die Kommunen sind es auch, die mit oftmals großem Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger den aufgenommenen Menschen mit Begegnungs- und Integrationsangeboten das Ankommen in der neuen Umgebung erleichtern helfen.

Das Land lässt die Kommunen auch und gerade in dieser Situation nicht allein. So setzt sich die Landesregierung weiterhin dafür ein, dass der Bund seiner Verantwortung in stärkerem Maße gerecht wird. Sie ist sich dabei mit den Kolleginnen und Kollegen der anderen Bundesländer einig und hat sowohl in der MPK vom 16. März als auch im Rahmen der Finanzministerkonferenz vom 16. März entsprechende Aufforderungen an den Bund gerichtet, die bereits zugesagten Bundesmittel kurzfristig zur Verfügung zu stellen und sich darüber hinaus stärker finanziell an den für die Aufnahme und Versorgung der Geflüchteten notwendigen Kosten zu beteiligen. Und wie in der Vergangenheit werden die Kommunen ganz unmittelbar davon profitieren.

Den größten Anteil der Unterstützung leistet aber das Land selbst: So werden zu den 560 Mio. Euro aus Verpflichtungen nach dem Landesaufnahmegesetz für 2023 und 2024 und 12,4 Mio. Euro aus dem Integrationsbudget für 2023 und 2024 zur Entlastung und Unterstützung der kommunalen Aufgabenträger zusätzlich 150 Mio. Euro aus dem „Brandenburg-Paket“ für 2023 und 2024 bereitgestellt, u.a. wird zur Schaffung und Finanzierung neuer Unterbringungskapazitäten für insgesamt bis zu 14.000 Plätze, die Investitionspauschale um 7.000 Euro angehoben; und es wird ein Energiekostenzuschlag in Höhe von 50 Euro gewährt.

Weiterhin werden im Bereich der Migrationssozialarbeit zusätzliche Finanzmittel zur Finanzierung von insgesamt 62 Personalstellen pro Jahr, zur Betreuung und Beratung von Geflüchteten aus der Ukraine zur Verfügung gestellt und es wird ein zentrales Angebot für Dolmetscherleistungen zur Kommunikation zwischen Geflüchteten und Behörden, Ärzten etc. geben.

Aber auch andere, wichtige Hilfsangebote für Menschen vor Ort – mit oder ohne Fluchterfahrung – werden durch das Brandenburg-Paket unterstützt: So sind für die Tafeln im Land Brandenburg insgesamt 500.000 Euro vorgesehen. Damit erfolgt eine schnelle Hilfe zur Abmilderung der wirtschaftlichen Belastungen und zur Aufrechterhaltung des Tafelangebots infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der eingetretenen Erhöhung der Energiepreise und der allgemeinen Inflation.

Die Landesregierung hat sich in Anbetracht von fast 39.000 zu versorgenden Menschen in 2022 und einem voraussichtlich hohen Aufnahmesoll für 2023 auf Maßnahmen geeinigt, die nicht nur kurz- und mittelfristig auf eine spürbare Entlastung der Kommunen abzielen, sondern auch die Qualität der Versorgung im Blick haben. Dazu gehören die Schaffung von mehr Unterbringungskapazitäten in den Erstaufnahmen bei gleichzeitig verlängerter Aufenthaltsdauer im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten, die Prüfung von Projekten zum Spurwechsel in Arbeit sowohl in der Erstaufnahme als auch in Einrichtungen in Kommunaler Trägerschaft als auch der Ausbau des Unterrichts in Willkommensklassen.

Viele Probleme und Kapazitätsengpässe haben mit den zu uns kommen Flüchtlingen primär wenig zu tun, werden dadurch aber verschärft. So hat die erfreuliche Entwicklung des Landes in den vergangenen Jahren in Folge beispielsweise der Ansiedlung von Tesla in Grünheide, die Eröffnung des Flughafen BER aber auch der nach wie vor ungebrochene Zuzugs dazu geführt, dass die Nachfragen nach den Angeboten der sozialen Infrastruktur steigen. Dies trifft insbesondere für bezahlbaren Wohnraum, Kita- und Schulplätze sowie die medizinische Versorgung zu – Probleme, die sich nicht über Nacht lösen lassen.

Das Land unterstützt mit Erleichterungen bei Genehmigungs- und Vergabeverfahren, prüft Normen und Standards auf ihre Erforderlichkeit und dennoch lässt sich nicht alles so schnell realisieren, wie es wünschenswert wäre.

Das Bauen ist das eine Nadelöhr, das andere sind die Fachkräfte, die an allen Ecken und Enden fehlen.

Sie fehlen als Lehrkräfte in den Schulen und bei den Integrationskursen, sie fehlen als Erzieherinnen und Erzieher in den in den Kitas und sie fehlen auch bei der Migrationssozialarbeit, wo es im Einzelfall eines pragmatischen Ansatzes bedarf, um die Qualifikationsanforderungen etwas abzusenken. Hier haben wir mit dem LASV und den Kommunen Lösungen gefunden, die in dieser besonderen Situation helfen, ohne alle Standards und Qualitätsansprüche über Bord werfen zu müssen. Denn die Migrationssozialarbeit kann als ein zentrales Integrationsinstrument des Landes Brandenburg angesehen werden, das wir auch in Zukunft nach Kräften weiterentwickeln wollen.

Ich möchte mich schon jetzt bei allen engagierten Menschen bedanken, die vor Ort mit Geflüchteten oder auf anderen Ebenen der Integrationsarbeit eine entscheidende Hilfe für diese wichtige Weiterentwicklung sind. Wir brauchen Sie! Danke.

Daneben begleitet und unterstützt das Land die Sprachprogramme des Bundes und setzt sich für möglichst bedarfsdeckende Angebote in der Fläche des Landes und für unterschiedliche Zielgruppen ein. So werden bereits in der Erstaufnahme durch die Erstorientierungskurse erste Sprachlernangebote gemacht, denen weitere Angebote in Form von Integrationskursen und Berufssprachkursen folgen. Die zurzeit oftmals langen Wartezeiten sind auch hier überwiegen dem Umstand geschuldet, dass es zu wenig verfügbare Lehrkräfte gibt.

Auch im Bereich der Arbeitsmarktintegration gibt es bereits vielfältige Ansätze, wobei es grundsätzlich gilt, die fluchtbedingte Migration, bei denen Schutz und humanitäre Aufnahme im Vordergrund stehen und die gezielte Arbeitsmigration zu trennen. Aber auch wenn Asylrecht und Erwerbsmigration zwei Entitäten sind, so wird es immer dringlicher, die Chancen durch die Zuwanderung von geflüchteten Menschen zu sehen und zu ergreifen. Deutschland und insbesondere Brandenburg verfügt über eine der ältesten Bevölkerungen weltweit.

In Deutschland werden in den nächsten Jahren die sogenannten „Babyboomer“, insbesondere die Jahrgänge 1958 bis 1964 in Rente gehen. In den nächsten 14 Jahren werden 13 Millionen Menschen ins Rentenalter eintreten, ein Drittel aller heutigen Erwerbstätigen. Die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles beziffert den jährlichen Mehrbedarf an Arbeitskräften auf 400.000 Menschen.

Nun ist es aber keineswegs so, dass Abertausende Fachkräfte möglichst mit einem Sprachzertifikat des Level B2 und höher auf gepackten Koffern sitzen. Der Erfolg der Einwanderung von Hochqualifizierten mit der Blauen Karte ist ausgesprochen überschaubar. Im 1. Halbjahr 2022 sind ganze 193 Menschen darüber nach Brandenburg gekommen, die Mehrzahl geht nach Berlin, Bayern und Baden-Württemberg. Seit Wochen sind mehrere Bundesminister an vielen Orten der Welt unterwegs, um für Deutschland als Einwanderungsland zu werben. Wir alle erinnern uns an die Rede von Bundesminister Lindner vor Studenten in Ghana, als auf die Frage, wer denn gerne in Deutschland arbeiten würde, nur sehr verzögert einige wenige Hände in die Luft gingen. Deshalb sind die Maßnahmen der Bundesregierung wie das Chancen-Aufenthaltsrecht, die Erleichterung der Fachkräfteeinwanderung, der unmittelbare Zugang zu Integrationskursen und die geplante Erleichterung der Einbürgerung der richtige Weg.

Wir können es uns als Gesellschaft nicht leisten – von humanitären Aspekten ganz zu schweigen – Menschen in bedrückender Umgebung jahrelang zum Nichtstun zu verdammen. Wie oft habe ich bei meinen Besuchen von Migrantenorganisationen oder Flüchtlingsprojekten erlebt, dass erst nach Jahren der Kettenduldung erkannt wurde, welche Vorkenntnisse oder Berufserfahrungen da ungenutzt brachlagen. Unvergessen das Beispiel eines Irakers, der erst durch die Reparatur eines Rasenmähers als Automechaniker und Berufskraftfahrer geoutet wurde. Wir schieben Menschen mit einem Arbeitsverhältnis ab, wir lassen Akademikerinnen mit brillanten Englischkenntnissen und Ärztinnen in der Untätigkeit, weil sie ein Kopftuch tragen und lassen Menschen jahrelang Schulabschlüsse nachholen, weil sie aus dem verwüsteten Heimatland kein Abschlusszeugnis gerettet haben. Über 4.000 Menschen – die, die ihre Integrationsleistung wirklich unter Beweis gestellt haben und über einen Arbeitsplatz verfügen – warten auf ihre Einbürgerung. Wir können uns nicht leisten, sie zu verlieren!

Das Wort Fachkräftemangel gehört schon heute zu den am häufigsten genutzten Vokabel. Und wir stehen erst ganz am Anfang der massiven demografischen Veränderungen. Zuwanderung allein wird unsere demografischen Probleme nicht beheben können, aber sie wird immer wichtiger. Deshalb müssen wir auch bei Geflüchteten unsere Integrationsanstrengungen intensivieren und sie – Stichwort Spurwechsel – in Ausbildung und Arbeit bringen. Und wir müssen endlich mehr in die vielbeschworene Willkommenskultur investieren, statt die Atmosphäre zu vergiften. Fragt man auswanderungswillige Menschen weltweit, was ihnen im Land ihrer Träume am wichtigsten ist, so steht mit Abstand weit oben auf der Agenda: eine positive Einstellung zu Migranten.

Ich appelliere an Sie alle: Lassen Sie uns gemeinsam Anstrengungen unternehmen, damit die Aufnahme der geflüchteten Menschen auch weiterhin gelingt!

Ich danke Ihnen.

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Ident-Nr
Rede
Datum
22.03.2023