Gutachten zum Hitzeaktionsplan vorgestellt
- Erschienen am - PresemitteilungDeutschlandweit betrachtet gehört Brandenburg zu den am stärksten von Hitze betroffenen Regionen: Brandenburg verzeichnet – hinter Berlin – die meisten Hitzetage. Die Landesregierung will die Bevölkerung besser vor den gesundheitlichen Auswirkungen von extremer Hitze schützen. Im Auftrag des Gesundheits- und des Klimaschutzministeriums hat ein Konsortium von Expertinnen und Experten ein umfangreiches Gutachten für einen Hitzeaktionsplan für das Land Brandenburg erarbeitet. Das 260 Seiten starke Gutachten wurde heute im Rahmen einer Fachveranstaltung in Potsdam erstmals vorgestellt und bildet die Grundlage für das weitere Vorgehen. Damit sollen in verschiedenen Lebensbereichen konkrete Maßnahmen zur Prävention gesundheitlicher Folgen durch Hitze initiiert und umgesetzt werden. Der Hitzeaktionsplan ist ein Teil der Klimaanpassungsstrategie des Landes.
Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher: „Die Folgen des Klimawandels spüren wir auch in Brandenburg deutlich. Besonders heiße Tage mit Lufttemperaturen über 30 Grad Celsius, Tropennächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad fällt, sowie langanhaltende Hitzewellen stellen ein zunehmendes Gesundheitsrisiko dar. Gerade ältere und pflegebedürftige Menschen, Kleinkinder und Schwangere sowie Beschäftigte, die in der prallen Sonne arbeiten müssen, sind betroffen. Hitzeereignisse werden zukünftig sehr viel häufiger und auch intensiver werden. Die Landesregierung stellt sich dieser Herausforderung und leitet mit dem Gutachten für einen Hitzeaktionsplan eine breit verankerte Strategie mit vielen konkreten Ansatzpunkten zum gesundheitsbezogenen Hitzeschutz ein. Hitzeschutz ist eine Querschnittsaufgabe, die viele Lebensbereiche betrifft. Und Hitzeschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die von unterschiedlichen politischen Ebenen und vielen verschiedenen Akteurinnen und Akteuren bewältigt werden muss.“
Klimaschutzminister Axel Vogel: „Brandenburg gehört zu den heißesten und niederschlagärmsten Gebieten Deutschlands. Hitzevorsorge ist neben Dürre- und Starkregenvorsorge eine der wichtigsten Aufgaben zur Anpassung an die Folgen der Klimakrise in Brandenburg. Nachdem unser Ministerium das Gesamtkonzept zur Klimaanpassung im Bereich Wasser inklusive Niedrigwasserkonzept bereits vorgelegt und die Förderung des kommunalen Starkregenrisikomanagements für 2023 vorbereitet haben, liegt mit dem Gutachten zum Hitzeaktionsplan ein weiterer Baustein für die Klimaanpassungsstrategie des Landes vor. Neben dem Klimaschutz ist die Anpassung an die unvermeidbaren Folgen der Klimakrise die zweite unentbehrliche Säule einer vorausschauenden Klimapolitik. Das Gesamtpaket dieser ressortübergreifenden und im Koalitionsvertrag verankerten Klimaanpassungsstrategie wird nächste Woche in einer Beteiligungsveranstaltung vorgestellt und diskutiert. Der Hitzeaktionsplan ist darin eine zentrale Maßnahme.“
Das vom Klimaschutz- sowie vom Gesundheitsministerium finanzierte Gutachten für einen Hitzeaktionsplan wurde durch ein hochkarätiges Konsortium erarbeitet: GreenAdapt – Gesellschaft für Klimaanpassung, GSF – Gesellschaft für sozioökonomische Forschung und das von der Hochschule Fulda eingerichtete „Public Health Zentrum Fulda“. Begleitet wurde dieser Prozess mit vier Workshops in 2021/2022, an denen verschiedene Akteurinnen und Akteure der Landes- und kommunaler Ebene, aus dem Gesundheits- und Rettungswesen sowie der Altenpflege beteiligt waren.
Ein erstes zentrales Ziel ist es, ein Netzwerk Hitzeaktionsplan Brandenburg mit allen relevanten Akteurinnen und Akteuren zu etablieren, um die Erstellung von spezifischen Hitzeaktionsplänen insbesondere auf kommunaler und institutioneller Ebene wie Pflegeeinrichtungen zu forcieren und konkrete Maßnahmen insbesondere zum Schutz vulnerabler Gruppen anzustoßen, umzusetzen und weiterzuentwickeln. Die durch den Gutachter-Prozess aufgebaute Kommunikationsstruktur soll durch das Netzwerk unter Leitung des Gesundheitsministeriums weitergeführt werden. Am 23. November 2022 wird eine erste Klima-Werkstatt mit dem Schwerpunktthema Hitze für Brandenburger Kommunen und in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Klimaanpassung des Bundes stattfinden.
Das Gutachten umfasst den aktuellen Stand der Forschung zur gesundheitlichen Bedrohung durch Hitze und zu Instrumenten, die zur Vorsorge anerkannt und erprobt sind. In einem praktischen Teil werden eine Reihe von konkreten Maßnahmen aufgelistet, welche zur Hitzevorsorge auf Landesebene, in den Kommunen und von Organisationen und Verbänden realisiert werden können.
Die Maßnahmen betreffen Bereiche wie Pflege, Schule, Gemeinschaftsunterkünfte, Breiten- und Spitzensport, Tourismus, Rettungs- und Einsatzkräfte, Landes- und Kommunalbeschäftigte und besonders gefährdete Branchen.
Hitzeschutzmaßnahmen
Das Gutachten enthält eine Vielzahl von konkreten Maßnahmenvorschlägen. Dazu gehören unter anderem:
- Aufklärung von Eltern von Kindern bis zu 3 Jahren zu überwärmten Kinderzimmern, Lüftung, Ernährung und Trinken
- Hitzeschutz für besonders gefährdete Branchen: Informationen und Veranstaltungen für Unternehmen mit hitzegefährdeten Beschäftigten
- Hitzeschutz für Bewohner:innen in Gemeinschaftsunterkünften zum Beispiel durch gebäudetechnische Komponenten wie ausreichende Isolierung, Verschattung und Versorgung mit Trinkwasser
- Information und Sensibilisierung der Bevölkerung zur Steigerung der Eigenvorsorge sowie Selbst- und Fremdhilfe zum Beispiel mit Aufklärung über potenzielle Gefährdungen, Verhaltensempfehlungen für den Akutfall, Informationen über Warnsysteme
- Energieeffiziente Gebäudekühlung: zum Beispiel durch Sonnenschutz von Gebäuden und Fensterflächen (Außenjalousien, Bäume, usw.), Gebäudebegrünung, Verbesserung der Gebäudeisolation; Einbau von Wärmeschutzverglasung, Anteil der reflektierten Strahlung durch geeignete Wahl von Gebäudefarben und Baumaterialien erhöhen
- Städteplanerische Maßnahmen zur Reduzierung von Hitzestau und Wärmeinseln im Siedlungsraum (z.B. Förderung und Sicherstellung der Durchlüftung, Erhöhung und Aufwertung des Grünflächenanteils und Verminderung der versiegelten Fläche, Gebäudebegrünung)
- Trinkbrunnen und kühle Orte im öffentlichen Raum
Hitzewirkungen auf den menschlichen Körper
Der Mensch ist ein „homöothermes“ Wesen, das heißt sein Körper ist bestrebt, die Körperkerntemperatur auch unter wechselnden Außenbedingungen relativ konstant zu halten. Dies ist notwendig, da wichtige Stoffwechselvorgänge nur in einem begrenzten Temperaturbereich (36-37 Grad) stattfinden können. Weicht die Körperkerntemperatur von dem idealen Bereich ab, leitet der Körper Maßnahmen zur Thermoregulation ein.
Bei hohen Temperaturen muss das körpereigene Kühlsystem vermehrt Anstrengungen unternehmen, um die normale Köpertemperatur von circa 37 Grad Celsius zu halten. Diese zusätzlichen Belastungen des Herz-Kreislaufsystems sowie ein möglicher Flüssigkeitsmangel durch verstärktes Schwitzen können zu hitzebedingten Erkrankungen wie z.B. Hitzeerschöpfung, Hitzekrämpfen, einem Hitzschlag oder Austrocknung führen, die zum Teil lebensbedrohlich sind.
Hitze-Folgen in Brandenburg
In diesem Sommer wurden an 18 Tagen Hitzewarnungen vom Deutschen Wetterdienst ausgesprochen.
Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg registrierte im vergangenen Jahr 111 Hitzetote für Brandenburg. Das sind mehr als doppelt so viele wie im Durchschnitt der Jahre seit 1985 (54). Zum Vergleich: 2020 waren 145 Hitzetote erfasst worden, 2019 waren es 126. Der bisherige traurige Rekord wurde 2018 mit 362 Hitzetoten erreicht.
Hintergrund
Im Jahr 2017 hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Gesundheitliche Anpassung an die Folgen des Klimawandels“ unter Federführung der Bundesministerien für Umwelt und Gesundheit Handlungsempfehlungen für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen zusammengetragen (https://www.bmuv.de/themen/gesundheit-chemikalien/gesundheit/gesundheit-im-klimawandel/handlungsempfehlungen-fuer-die-erstellung-von-hitzeaktionsplaenen). Einzelne Inhalte der 8 Hauptelemente eines Hitzeaktionsplans sind bereits in verschiedenen Bereichen (kommunale Ebene, aber auch Landesebene) in Brandenburg in Umsetzung, wie z.B. Informationen für einzelne vulnerable Gruppen: https://msgiv.brandenburg.de/msgiv/de/themen/gesundheit/umweltbezogener-gesundheitsschutz/hitze-sonne-und-uv-strahlung/
Sowohl die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) als auch die Sozialministerkonferenz (ASMK) haben bereits 2020 bezüglich der Umsetzung der Handlungsempfehlungen für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen einstimmige Beschlüsse gefasst (GMK-Beschluss „Der Klimawandel - eine Herausforderung für das deutsche Gesundheitswesen“: https://www.gmkonline.de/Beschluesse.html?id=1018&jahr=2020, ASMK-Beschluss „Hitzeaktionspläne gemeinsam voranbringen: https://www.asmk.saarland/media/zv3jpeny/2020-12-11_externes_protokoll_der_asmk_komplett_final.pdf).
Auch hat der 125. Deutsche Ärztetag 2021 die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels und damit auch die Hitzeereignisse zum Hauptthema gemacht und unter dem Titel „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz“ zahlreiche Beschlüsse, u.a. die Forderung nach Hitzeaktionsplänen, dazu gefasst, die zum einen Zeithorizonte zur Umsetzung benennen und zum anderen ein einheitliches strategisches Vorgehen bei der Entwicklung von Hitzeaktionsplänen anstreben. (Beschlussprotokoll: https://www.bundesaerztekammer.de/aerztetag/aerztetage-der-vorjahre/125-daet-2021-in-berlin).
Aktuell wird die Klimaanpassungsstrategie für das Land Brandenburg unter Federführung des Umwelt- Klimaschutzministeriums erarbeitet. Insgesamt umfasst die Klimaanpassungsstrategie zwölf Handlungsfelder aus sechs Ressorts der Landesregierung. Die Maßnahmen umfassen neben Anpassungen im Umgang mit Wasser im Sinne eines nachhaltigen Wasserressourcenmanagements auch die bauliche Vorsorge, Notfallpläne, gezielte Risikoverteilung, Etablierung von Frühwarnsystemen, diversifizierte Lieferketten und die effektive Stärkung und Nutzung natürlicher Systeme, Brand- und Katastrophenschutz, Gesundheit/Hitzeaktionspläne, Stadtentwicklung, Verkehr, Tourismus, Energiewirtschaft und die kommunale Daseinsvorsorge. Am 29. September 2022 wird der Arbeitsentwurf der Klimaanpassungsstrategie von Vertreterinnen und Vertretern aus den Fachressorts in einer Beteiligungsveranstaltung vorgestellt und mit Interessenvertretungen sowie der Öffentlichkeit diskutiert. Informationen zu Details und zur Anmeldung finden sich unter www.klimaanpassung-brandenburg.de.