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Sozialministerin Nonnemacher: Pakt für Pflege ist erfolgreich – Ansatz „Pflege vor Ort“ hat sich in Brandenburg bewährt

Aktuelle Stunde im Landtagsplenum zur Pflegepolitik

- Erschienen am 19.06.2024 - Presemitteilung 116/2024
Sozialministerin Nonnemacher im Landtagsplenum

Das Landtagsplenum debattierte heute in einer aktuellen Stunde über das Thema „Die Herausforderungen der Pflegepolitik anpacken: Brandenburgs „Pakt für Pflege“ – ein bundesweites Modell?“. Sozialministerin Ursula Nonnemacher sagte dort in ihrer Rede:

„Die Sicherung der pflegerischen Versorgung gehört angesichts der demografischen Entwicklung zu den größten sozialpolitischen Herausforderungen unserer Zeit. Wir wissen und spüren bereits heute: Die personelle Situation in der Pflege spitzt sich zu, weil neben steigendem Pflegebedarf gleichzeitig die Anzahl der erwerbsfähigen Menschen und somit der potenziell für Pflege zur Verfügung stehenden Personen zurückgeht.

Vor diesem Hintergrund haben wir in Brandenburg bereits 2020 den Pakt für Pflege auf den Weg gebracht. Durch die Gestaltung von alterns- und pflegegerechten Sozialräumen soll zum einen der Eintritt von Pflegebedürftigkeit verzögert bzw. verringert werden. Zum anderen soll, wenn Pflegebedürftigkeit eintritt, noch besser als bisher Pflege in der eigenen Häuslichkeit ermöglicht werden.

Die konsequente Politik zur Unterstützung der häuslichen Pflege entspricht dem dringenden Wunsch der pflegebedürftigen Menschen und sie ist zugleich geeignet, den Personalbedarf zu begrenzen. In Brandenburg werden knapp 87 Prozent aller pflegebedürftigen Menschen zuhause gepflegt – das ist der bundesweit höchste Wert. Und dies schlägt sich unmittelbar in der Anzahl der benötigten Pflegekräfte nieder. Denn die vollstationäre Pflege ist mit Abstand die personalintensivste Form der Versorgung. Wenn die aktuell 185.000 Pflegebedürftigen in Brandenburg mit der bundesdurchschnittlichen Quote der ‚Beschäftigten pro pflegebedürftige Person‘ versorgt werden würden, wären heute bereits 5.000 Pflegekräfte zusätzlich erforderlich – und, wir hätten sie nicht! Insofern dient die Stabilisierung von Pflege in der Häuslichkeit der fachkräfteseitigen Absicherung der Pflege.

Dieser Ansatz ist aber auch aus fiskalischen Gründen sinnvoll. Die vollstationäre Pflege ist nicht nur besonders personalintensiv, sie ist auch die teuerste Versorgungsform - für die Betroffenen und für das Land wegen der Kosten für die „Hilfe zur Pflege“. Derzeit entstehen pro pflegebedürftiger Person im Land Kosten für Hilfe zur Pflege jährlich in Höhe von 388 Euro. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 707 Euro. Bei diesen Kosten hätten wir Gesamtausgaben der Hilfe zur Pflege nicht von gut 70 Millionen Euro, sondern von 130 Millionen Euro pro Jahr.

Der Pakt für Pflege hat sich flächendeckend bewährt: 100 Prozent der Landkreise und kreisfreien Städte nehmen teil, und in 85 Prozent der kreisangehörigen Gemeinden wurden seit 2021 664 Projekte zur Unterstützung Pflegebedürftiger und ihrer Angehörigen initiiert.

Auch der Landespflegeausschuss hat sich in seiner letzten Sitzung im Mai mit den Evaluationsergebnissen befasst und mit einem Beschluss das Land Brandenburg aufgefordert, den Pakt für Pflege in der nächsten Legislaturperiode zu verstetigen und zielgerichtet weiterzuentwickeln.

Ich teile die Einschätzung vom Landespflegeausschuss: Wir sind gut beraten, den mit dem Pakt für Pflege eingeschlagenen Weg mit aller Kraft weiterzugehen. Denn er ist erfolgreich.

Wir wissen, dass andere Bundesländer auf den Pakt für Pflege in Brandenburg schauen und vergleichbare Aktivitäten planen. Auch im SGB XI wurde der fachpolitische Ansatz von Pflege vor Ort inzwischen im Paragraphen 123 mit der bundesweiten Förderung von Modellvorhaben für Unterstützungsmaßnahmen und -strukturen vor Ort und im Quartier verankert. Von 2025 bis 2028 werden jährlich bis zu 30 Millionen Euro bundesweit bereitgestellt. Mit dem anteilig auf Brandenburg entfallendem Geld können wir auch in Brandenburg ‚Pflege vor Ort‘ noch weiter entwickeln.

Ich bin überzeugt davon: Der wesentliche Schlüssel zur Fachkräftesicherung ist die Ausbildung des eigenen Personals. Mit der neuen fondsfinanzierten generalistischen Pflegeausbildung und der akademischen Ausbildung sind wir im Land Brandenburg hier attraktiv aufgestellt. Wesentliche Unterstützung wurde dabei auch aus dem Pakt für Pflege geleistet, beispielsweise durch das Projekt NEKSA (‚Neu kreieren statt addieren‘), mit dem ausbildende Einrichtungen und Pflegeschulen bei der Umsetzung des Pflegeberufegesetzes unterstützt wurden. Daneben gilt es, Ausbildungsabbrüche zu vermeiden, unter anderem durch das Angebot an sozialpädagogischer Begleitung, dass durch die Evaluation des Paktes für Pflege hierzu als sehr wirkungsvoll identifiziert wurde. Weiterhin müssen Einrichtungen auch bei den anstehenden Herausforderungen für die Zukunft, zum Beispiel bei der Umsetzung einer kompetenzgerechten Arbeitsorganisation und der Gewinnung und Integration zusätzlicher Fachkräfte und Auszubildender aus dem Ausland, Unterstützung erhalten.

Das Land hat Vorsorge getroffen, um den Übergang in die neue Legislaturperiode zu gestalten. Im Doppelhaushalt 2023/2024 sind für die Förderprogramme Pflege vor Ort, Pflegestützpunkte-Richtlinie und Pflegezukunftsinvestitions-Richtlinie bereits Verpflichtungsermächtigungen in 2024 für 2025 veranschlagt worden. Und so wurden nunmehr auch die Laufzeiten der Förderprogramme bis zum 30. Juni 2025 verlängert, das Investitionsprogramm für Kurzzeit- und Tagespflege sogar bis zum 31. Dezember 2025.

Der Ansatz ‚Pflege vor Ort‘ hat sich in Brandenburg bewährt. Er muss auch ein Schwerpunkt der Strukturreform der Pflegeversicherung im Bund werden. Denn wir werden nie wieder so viele Pflegekräfte haben wie heute, aber in Zukunft deutlich mehr pflegebedürftige Menschen. Daher müssen wir die Pflegekräfte gezielter als bisher durch einen ausgewogenen Personalmix, mit Unterstützung ausländischer Fach- und Pflegekräfte einsetzen, um die professionelle Pflege auch zukünftig abzusichern. Auch ist die ‚Hebelwirkung‘ durch Pflegefachpersonen dort am größten, wo sie durch Fachberatung Pflegebedürftigkeit mindern oder die Pflege durch Angehörige fachlich begleiten. Im Mittelpunkt einer Strukturreform der Pflegeversicherung muss neben der betrieblichen Fachkräftesicherung die konsequente Unterstützung pflegender Angehöriger stehen.

Im Pflegeversicherungsgesetz müssen regionale Pflegestrukturbudgets nach dem Vorbild des Pakts für Pflege Brandenburg verankert werden, um die ergänzenden Strukturen zur Unterstützung der häuslichen Pflege in gemeinsamer Finanzierung von Pflegekassen und Länder und Kommunen bundesweit vorzuhalten. Das 2025 startende Förderprogramm nach dem Paragraphen 123 SGB XI greift zwar unseren Vorschlag im Grundsatz auf. Aber es ist mal wieder nur ein befristetes Modellprogramm. Modellprogramme braucht man, um Erkenntnisse zu gewinnen. Wir haben aber kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem.“

Hintergrund

Der „Pakt für Pflege“, ein Schwerpunkt im Koalitionsvertrag der Landesregierung, startete Ende 2020 und hat zum Ziel, pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen vor Ort zu unterstützen, Beratungsstrukturen auszubauen und die Fachkräftesicherung in der Pflege zu fördern. Im Landeshaushalt stehen dafür insgesamt jährlich rund 20 Millionen Euro zur Verfügung.

Der Pakt für Pflege besteht aus vier Säulen:

  1. Förderprogramm für Kommunen „Pflege vor Ort“ (Start: 1. April 2021, Laufzeit bis Dezember 2024, rund 10 Millionen Euro pro Jahr)
  2. Förderung des Ausbaus der Pflegestützpunkte (Start: 1. Juli 2021, Laufzeit bis Dezember 2024, rund 2 Millionen Euro pro Jahr)
  3. Investitionsprogramm für Kurzzeit- und Tagespflege (Start: 1. August 2021, Laufzeit bis Dezember 2024, rund 5 Millionen Euro pro Jahr)
  4. Maßnahmen zur Ausbildung und betrieblichen Fachkräftesicherung (Start 2020, circa 600.000 Euro pro Jahr)

Pflege vor Ort

Herzstück ist das Programm für Kommunen „Pflege vor Ort“. Durch die Gestaltung von alterns- und pflegegerechten Sozialräumen soll Pflegebedürftigkeit verhindert bzw. verzögert werden und die Pflege in der eigenen Häuslichkeit durch Beratung, Begleitung und Entlastung gefördert werden.

85 Prozent aller Gemeinden und Ämter (164 von insgesamt 193) sowie alle 18 Landkreise und kreisfreien Städte beteiligen sich am Programm „Pflege vor Ort“. Damit ist der Pakt für Pflege fast in allen Kommunen Brandenburgs etabliert.

Insgesamt gibt es bereits 664 Projekte im Bereich Pflege vor Ort. Davon sollen über 200 Projekte die Teilhabe Pflegebedürftiger an der Gemeinschaft verbessern.

Eingesetzt wird das Geld unter anderem für den Auf- und Ausbau von Helferkreisen und Nachbarschaftshilfen, von Informationen und Schulungen für pflegende Angehörige, Angeboten für ein gemeinsames Mittagessen, von Projekten zur Anregung gemeinsamer Aktivitäten und Teilhabe – auch bei Pflegebedürftigkeit.

Pflegestützpunkte

Für die Stabilisierung ambulanter Versorgung ist eine gute Beratung zu allen Fragen der Pflege unerlässlich. Erste Anlaufstelle dafür sind die Pflegestützpunkte.

Mit der Förderrichtlinie zum Ausbau und zur Weiterentwicklung von Pflegestützpunkten unterstützt das Land die Landkreise und kreisfreien Städte mit jeweils bis zu 100.000 Euro pro Jahr dabei, den Zugang zur Pflegeberatung zu erleichtern und die bestehenden Beratungsangebote weiterzuentwickeln.

Im Jahr 2011 wurden in allen 18 Landkreisen und kreisfreien Städten Beratungen in jeweils einem Pflegestützpunkt (und zwei im Landkreis Oder-Spree) angeboten. Heute gibt es in Brandenburg 45 Standorte von Pflegestützpunkten, inklusive Außenstellen und Außensprechstunden. Pro Landkreis gibt es bis zu vier Standorte. In zwei Landkreisen (Potsdam-Mittelmark und Oberhavel) gibt es zudem auch Videoberatung.

Kurzzeit- und Tagespflege

Ziel der Förderung ist es, neue Plätze in der Kurzzeit- und Tagespflege zu schaffen und somit die häusliche Pflegesituation zu stabilisieren. Seit Mitte 2021 wurden 33 Zuwendungen aus 16 Landkreisen und kreisfreien Städten beantragt, davon wurden bislang 26 Zuwendungen im Gesamtvolumen von rund 5,8 Millionen Euro bewilligt. Neu entstanden sind damit: 315 Tagespflegeplätze in 18 Einrichtungen, 54 Kurzzeitpflegeplätze in fünf Einrichtungen und 40 Plätze in einer Betreuungsgruppe. Bis Ende 2024 sind noch weitere Kurz- und Tagespflegeplätze geplant.

Fachkräftesicherung

Die Zahl der Beschäftigten in der Pflege ist in Brandenburg gestiegen. Im Jahr 2019 gab es 40.286 Beschäftigte in der Pflege, im Jahr 2021 stieg die Zahl auf 41.828. Der Frauenanteil liegt bei 84,2 Prozent.

Die Förderung von gelingenden Ausbildungen auf allen Ausbildungsniveaus ist für die Fachkräftesicherung in der Pflege von zentraler Bedeutung. Die neue fondsfinanzierte generalistische Pflegeausbildung, ergänzt durch die Möglichkeit des akademischen Abschlusses die im Jahr 2020 startete, hat den Pflegeberuf attraktiver gemacht.

Das vom Land finanzierte Projekt NEKSA (Abkürzung steht für: „Neu kreieren statt addieren“) der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) unterstützt die ausbildenden Einrichtungen sowie die Pflegeschulen bei der Umsetzung der Pflegeberufereform im Land Brandenburg.

Pflegestatistik

Nach der aktuellen Pflegestatistik waren in Brandenburg im Dezember 2021 184.646 Menschen pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI). Im Dezember 2019 hatte die Zahl der Pflegebedürftigen bei 153.971 gelegen. Das entspricht einem Anstieg um 20 Prozent. Der Anteil der Pflegebedürftigen an der Gesamtbevölkerung ist damit von 6,1 Prozent in 2019 auf 7,3 Prozent in 2021 gestiegen.

  2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021
Anzahl Pflegebedürftiger 85.801 95.970 102.953 111.595 132.426 153.971 184.646

 

Von den Pflegebedürftigen sind 61,1 Prozent weiblich und 38,9 Prozent männlich. Gut 56 Prozent aller Pflegebedürftigen in Brandenburg sind über 80 Jahre alt.

Die amtliche Pflegestatistik wird in Deutschland seit Ende 1999 alle zwei Jahre von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder erhoben, um Daten zur Pflegeversorgung zu gewinnen.