Verfolgt, vertrieben, ermordet
Ausstellung über das Schicksal jüdischer Ärztinnen und Ärzte nach dem Approbationsentzug im Gesundheitsministerium eröffnet
- Erschienen am - PresemitteilungSie verloren ihre Existenz und gingen ins Exil. Viele nahmen sich das Leben oder wurden von den Nazis ermordet: Der 30. September 1938 bedeutete einen tiefen Einschnitt in das Leben jüdischer Ärztinnen und Ärzte in Deutschland. An diesem Tag wurde ihnen vom NS-Regime die Approbation entzogen, sie wurden praktisch mit einem Berufsverbot belegt. Zum 31. Januar 1939 wurde das Verbot auf alle jüdischen Zahnärztinnen und -ärzte, Tierärztinnen und -ärzte sowie Apothekerinnen und Apotheker ausgeweitet. Vom tragischen Schicksal dieser Menschen erzählt anhand exemplarischer Porträts die Ausstellung „Fegt alle hinweg, die die Zeichen der Zeit nicht verstehen wollen!“, die am heutigen Mittwoch von Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher im Foyer des Ministeriumsgebäudes in Potsdam eröffnet wurde. Andreas Büttner, der Antisemitismusbeauftragte des Landes Brandenburg, sprach auf der Veranstaltung ein Grußwort.
Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher: „Seit der Machtergreifung der Nazis 1933 wurden jüdische Ärztinnen und Ärzte immer weiter verdrängt. Sie wurden angefeindet, verfolgt und vielfach ermordet. Ihr Schicksal macht deutlich, wozu Menschen fähig sind und wie tief die Verstrickungen der deutschen Ärzteschaft in Nazideutschland reichten. Diese systematischen Verstrickungen von Gesundheit und Justiz in die Verbrechen des NS-Regimes müssen wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Die bewegende Ausstellung, die wir heute hier eröffnen, leistet dazu einen wertvollen Beitrag. Mit ihren 20 anrührenden Schicksalen kann sie ein Erinnerungsraum für uns sein – und ein Lernort. Indem wir die Geschichten der Opfer erzählen, wird ihr Andenken bewahrt und die Erinnerung wachgehalten. Denn im Angesicht von erstarkendem Rechtsextremismus ist Erinnerung wichtiger denn je – und zugleich Mahnung, dass so etwas nie wieder geschehen darf!“
Andreas Büttner, Antisemitismusbeauftragter Brandenburg: „Diese Ausstellung ist nicht nur eine Hommage an die wissenschaftlichen Leistungen jüdischer Ärztinnen und Ärzte, sondern auch ein Mahnmal. Sie erinnert uns eindringlich daran, wohin Vorurteile, Hass und Ausgrenzung führen können. Sie zeigt, wie schnell eine Gesellschaft bereit ist, ihre klügsten Köpfe zu opfern, wenn sie sich falschen Ideologien hingibt. Gleichzeitig ist diese Ausstellung ein Zeichen der Hoffnung, denn das Erbe dieser Ärztinnen und Ärzte lebt weiter. Ihre Errungenschaften prägen die moderne Medizin und unser Verständnis von Menschlichkeit. Sie haben uns gelehrt, dass Fürsorge und Mitmenschlichkeit, unabhängig von Religion, Herkunft oder Überzeugung, die Grundlage einer gerechten Gesellschaft sind.“
Die Ausstellung „Fegt alle hinweg, die die Zeichen der Zeit nicht verstehen wollen!“ wurde 2008 von dem Münchener Ehepaar Ursula und Dr. Hansjörg Ebell aus Anlass des 70. Jahrestags des Approbationsentzugs konzipiert. Sie wurde seitdem mehrfach erweitert und inzwischen an 49 Orten in Deutschland gezeigt. 2011 wurde das Projekt vom Bundesgesundheitsministerium mit einem Sonderpreis ausgezeichnet. Der Ausstellungstitel bezieht sich auf eine Forderung, die Gerhard Wagner, der Vorsitzende des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes, bereits 1933 in Bezug auf seine jüdischen Kolleginnen und Kollegen erhob.
Zu diesem Zeitpunkt gab es in Deutschland etwa 8.000 jüdische Ärztinnen und Ärzte. Bis 1938 waren viele von ihnen bereits ins Exil getrieben worden oder hatten aus Verzweiflung ihrem Leben ein Ende gesetzt. Für die verbliebenen 3.152 bedeutete der Entzug der Approbation zum 30. September 1938 die endgültige Zerstörung der beruflichen Existenz.
Die Ausstellung ist bis zum 8. November 2024 werktags von 7:30 bis 17 Uhr im Foyer des Gesundheitsministeriums, Haus S, Henning-von-Tresckow-Straße 2-13, 14467 Potsdam, zu sehen.