Ausstellung zur Rolle der Gesundheitsämter im Nationalsozialismus in Potsdam eröffnet
- Erschienen am - PresemitteilungDie Anordnung von Zwangssterilisierung, die Einstufung behinderter Kinder als „lebensunwert“, die Ermordung Kranker: Die Gesundheitsämter wurden im NS-Staat zu Erfüllungsgehilfen des verbrecherischen Regimes umfunktioniert. Wie es dazu kam und wie vielfältig die Behörden an der Umsetzung der NS-Ideologie mitwirkten, dokumentiert die Wanderausstellung „Volk – Gesundheit – Staat. Gesundheitsämter im Nationalsozialismus“, die im Rahmen eines Forschungsprojekts von Medizinhistorikern an der Berliner Charité konzipiert und die am heutigen Mittwoch von Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher im Foyer des Ministeriumsgebäudes in Potsdam eröffnet wurde. Im Anschluss an die Ausstellungseröffnung findet ein begleitendes Symposium im Ministerium statt, an dem Gesundheitsstaatssekretär Dr. Thomas Götz teilnimmt.
Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher sagte zur Ausstellungseröffnung: „Die Beschäftigten in den kommunalen Gesundheitsämtern sind heute tagtäglich für die Bevölkerung im Einsatz. Ob im Infektionsschutz, bei der Gesundheitsvorsorge oder beim Gesundheitsschutz für Kinder und Jugendliche – Ziel ist stets, jedem Menschen die besten Gesundheitschancen zu bieten. Im Nationalsozialismus war ihre Rolle dagegen eine gänzlich andere. Die Behörden wurden als dienstbares Vollzugsorgan aufgebaut, sie waren ein Selektionsapparat im Rahmen einer menschenverachtenden Politik. Die Ausstellung, die wir hier heute eröffnen, zeigt in bedrückender Deutlichkeit, wohin diese Politik geführt hat und welch grausame und oft tödliche Folgen sie für Millionen Menschen hatte. So etwas darf nie wieder geschehen! Die Ausstellung ist für mich daher auch als Mahnung zu verstehen. Der Öffentliche Gesundheitsdienst muss die Gesundheitsprävention stets für alle Menschen gleichermaßen ermöglichen, erst recht und insbesondere für die Kleinsten und die Schwächsten.“
Dr. Kristina Böhm, Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes und Fachbereichsleiterin Öffentlicher Gesundheitsdienst Potsdam: „Die Ausstellung ist ein Meilenstein in der Aufarbeitung der Verantwortungen im Öffentlichen Gesundheitsdienst während des Nationalsozialismus. Sie erinnert und mahnt uns gleichermaßen, hier genau hinzuschauen, uns nicht wieder instrumentalisieren zu lassen und in jeder Hinsicht dem Gebot des Hippokratischen Eides zu folgen. Ich wünsche mir sehr, dass diese Ausstellung die entsprechende Aufmerksamkeit bekommt und vor den anstehenden Landtagswahlen ein Zeichen setzen kann.“
Die Ausstellung „Volk, Gesundheit, Staat. Gesundheitsämter im Nationalsozialismus“ basiert auf Ergebnissen des Forschungsprojekts „Der Öffentliche Gesundheitsdienst in der Zeit des Nationalsozialismus. Die Beispiele Thüringen und Württemberg“, das vom Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) initiiert wurde. Sie dokumentiert verschiedene Tätigkeitsbereiche der Gesundheitsämter im Nationalsozialismus am Beispiel der beiden genannten Länder.
Im Fokus steht dabei die Umsetzung der sogenannten „Erb- und Rassenpflege“, beispielsweise durch die Anordnung von Zwangssterilisierungen auf Basis des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“, durch „erbbiologisch“ ausgerichtete Eheberatungen, durch die Selektierung behinderter Kinder zur gezielten Tötung oder durch Zwangsarbeit. Die Ausstellung zeigt dabei, wie Amtsärzte auf Basis der NS-Gesetze Daten sammelten, Anordnungen trafen und zu Dienern der menschenverachtenden Nazi-Ideologie wurden.
Bei dem anschließenden Symposium im Ministerium sprach u.a. Prof. Sabine Schleiermacher von der Charité, Leiterin des Forschungsprojektes „Der Öffentliche Gesundheitsdienst in der Zeit des Nationalsozialismus“. Danach widmete sich eine Podiumsdiskussion dem heutigen Einfluss von Politik auf die medizinische Versorgung, an der neben Staatssekretär Dr. Thomas Götz und der Vorsitzenden des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes, Dr. Kristina Böhm, Bundeswehr-Oberstarzt Prof. Dr. Ralf Vollmuth teilnahm.
Die Ausstellung im Foyer des Gesundheitsministeriums, Haus S, Henning-von-Tresckow-Straße 2-13, 14467 Potsdam, ist bis zum 1. September werktäglich zwischen 7.30 und 17 Uhr zu sehen.
Internet: https://msgiv.brandenburg.de/msgiv/de/ministerium/ausstellungen/