Potsdamer Erklärung: Mehr Inklusion im und durch Sport!
66. Treffen der Konferenz der Beauftragten von Bund und Ländern für Menschen mit Behinderungen
Präambel
Die Beauftragten des Bundes und der Länder für die Belange von Menschen mit Behinderungen setzen sich für eine an den Menschenrechten und der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ausgerichtete Politik in Deutschland ein.
Während ihres 66. Treffens am 16. und 17. November 2023 haben sich die Beauftragten unter anderem mit dem Recht auf Teilhabe von Menschen mit Behinderungen im und durch Sport befasst. Sie verweisen auf den Artikel 30 der UN-BRK, wonach die Vertragsstaaten verpflichtet sind, alle geeigneten Maßnahmen für die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an Erholungs-, Freizeit- und Sportaktivitäten zu ergreifen. Doch hierfür gibt es in Deutschland noch viel zu tun. Denn 55 Prozent der Menschen mit Behinderungen haben keinen Zugang zum Sport und sind in Sportvereinen unterrepräsentiert (vgl. 3. Teilhabebericht der Bundesregierung). Die Beauftragten reklamieren von Bund, Land und Kommunen mehr Engagement für mehr Inklusion im und durch Sport. Sie unterstützen die Beschlüsse der 48. Sportministerkonferenz vom September 2023 (vgl. Förderung und Unterstützung des Behindertensports und der Inklusion im Sport. Beschluss 48. Sportministerkonferenz vom 14. September 2023 in Herzogenaurach - 48.SMK-BV08/2023).
Die Beauftragten erklären:
- Öffentlichkeitswirksame Sportevents wie die Paralympics, die Deaflympics oder die Special Olympics sind wichtige Ereignisse für die Weiterentwicklung der Inklusion durch Sport. Obwohl auch diese sportlichen Höhepunkte nicht in erster Linie inklusiv sind, tragen sie dazu bei, dass Menschen mit Behinderungen überhaupt die Möglichkeit haben, sich im Sport zu messen und Menschen ohne Behinderungen ihre Haltung gegenüber Menschen mit Behinderungen verändern. Nationale und internationale inklusive Sportgroßveranstaltungen sind durch die mediale Verbreitung für die Bewusstseinsbildung (vgl. Artikel 8 UN-BRK) von besonderer Bedeutung. Eine Veränderung der Haltung ist durch inklusive Sportangebote regional, national und international möglich.
- Den Medien kommt eine besondere Verantwortung zu, mit und über Menschen mit Behinderungen zu berichten, der sie bei den Special Olympics World Games 2023 in Berlin nachgekommen sind. Über andere große und vergleichbare Events, wie Welt- und Europameisterschaften im Parasport, sollte mehr und intensiver berichtet werden. Mit dem Verweis auf Kosten und knappe Ressourcen verzichten viele auf die Berichterstattung. Die Vertreterinnen und Vertreter der Medien sollten alles daransetzen, dass die sportlichen Leistungen von Menschen mit Behinderungen in der Öffentlichkeit präsent sind.
- Menschen mit Behinderungen sollten am Breitensport auf allen Ebenen teilnehmen können. Dafür bedarf es seitens der Kreis-, Stadt- und Landessportbünde eines klaren Bekenntnisses zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, insbesondere durch den Einsatz von hauptamtlichen Inklusionscoaches. Durch eine barrierefreie Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit sollten Menschen mit Behinderungen auf bestehende Angebote hingewiesen werden. Zudem müssen die vorhandenen Angebote weiterentwickelt und weitere bedarfsgerecht geschaffen werden. Ergänzend ist es erforderlich, gezielte Förderprogramme aufzulegen, die die Sportvereine bei der Entwicklung und Umsetzung inklusiver Konzepte und Angebote unterstützen. Auf dieser Grundlage wird auch der organisierte Breitensport insgesamt weiterentwickelt.
- Menschen mit Behinderungen benötigen barrierefreie Sportstätten. Deshalb fordern die Beauftragten die Bundesregierung auf, die Offensive für Investitionen in Sportstätten aus dem Koalitionsvertrag unter besonderer Berücksichtigung von Barrierefreiheit und Inklusion auszuweiten. Länder, Kommunen und Träger von Einrichtungen müssen ihre Sportstätten barrierefrei gestalten und dabei die Expertise der Nutzenden mit und ohne Behinderungen einbeziehen (vgl. Artikel 9 UN-BRK). Der Sanierungs- und Modernisierungsstau bei den Sportstätten muss aufgelöst werden. Sportstätten müssen nachhaltig und barrierefrei gebaut und für alle Bevölkerungsgruppen erreichbar, zugänglich und nutzbar sein. Da vielen Kommunen hierfür die finanziellen Möglichkeiten fehlen, braucht es spezifische Förderprogramme, die es den Kommunen und Trägern ermöglichen, die Sportstätten vor Ort barrierefrei zu gestalten. Barrierefreie Sportstätten sind ein regionaler Standortvorteil.
- Die Hilfsmittelversorgung von Menschen mit Behinderungen, die Sport treiben möchten, ist oft ein Problem. Krankenkassen zahlen in der Regel die nötigen Sportorthesen oder den Sportrollstuhl nicht. Hier braucht es eine gute Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger, insbesondere der Krankenkassen und Eingliederungshilfeträger, mit dem Ziel einer bedarfsdeckenden Hilfsmittelausstattung - auch zur Teilhabe am Sport. Zur Vermeidung von Benachteiligungen der Menschen mit Behinderungen sind hier mindestens ein Umdenken bei den Leistungsträgern, wenn nicht sogar gesetzliche Änderungen, dringend erforderlich. Auch Mobilitäts- und Assistenzleistungen müssen gewährleistet sein. Die Beauftragten weisen darauf hin, dass der UN-Fachausschuss in seinen Abschließenden Bemerkungen zur aktuellen Staatenberichtsprüfung Deutschland aufgefordert hat, sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu kostenfreier persönlicher Assistenz haben, um ihr Recht auf Sport ausüben zu können.
- Zur Gewaltprävention sollten die Sportvereine und –verbände insbesondere die im SGB IX vorgesehenen„Übungen zur Stärkung des Selbstbewusstseins“ von Mädchen und Frauen mit Behinderungen durch ein bundesweit flächendeckendes Leistungsangebot umsetzen.
- Schulen profitieren vom partizipativen Aspekt des inklusiven Sports. Deshalb muss sichergestellt werden, dass Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen gleichberechtigt an Sportaktivitäten teilnehmen können. Das betrifft Angebote sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Bereich. Damit Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen die Möglichkeit haben, an Sportaktivitäten teilzunehmen, müssen Angebote der Anleitung, des Trainings und die dafür erforderlichen Ressourcen bereitgestellt werden.
- Die Beauftragten rufen Vereine und Verbände auf, sich inklusiv auszurichten. Dazu gehört auch, dass die Basisausbildung von Übungsleiterinnen und -leitern ein Pflichtmodul zum inklusiven Sport enthält. In Sportvereinen und -verbänden muss es auch die Möglichkeit geben, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt in Haupt- und Ehrenamtsstrukturen eingebunden sind.
- Der gleichberechtigte Zugang zu und das Studium von sportwissenschaftlichen Studiengängen muss für Menschen mit Behinderungen gewährleistet sein.
- Zur Weiterentwicklung der Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen in Sportvereinen fordern die Beauftragten die Förderung von bundesweiten partizipativen Forschungsprojekten, um eine belastbare Datenlage zu schaffen.
Potsdam, 17. November 2023
66. Treffen der Konferenz der Beauftragten von Bund und Ländern für Menschen mit Behinderungen
Präambel
Die Beauftragten des Bundes und der Länder für die Belange von Menschen mit Behinderungen setzen sich für eine an den Menschenrechten und der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ausgerichtete Politik in Deutschland ein.
Während ihres 66. Treffens am 16. und 17. November 2023 haben sich die Beauftragten unter anderem mit dem Recht auf Teilhabe von Menschen mit Behinderungen im und durch Sport befasst. Sie verweisen auf den Artikel 30 der UN-BRK, wonach die Vertragsstaaten verpflichtet sind, alle geeigneten Maßnahmen für die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an Erholungs-, Freizeit- und Sportaktivitäten zu ergreifen. Doch hierfür gibt es in Deutschland noch viel zu tun. Denn 55 Prozent der Menschen mit Behinderungen haben keinen Zugang zum Sport und sind in Sportvereinen unterrepräsentiert (vgl. 3. Teilhabebericht der Bundesregierung). Die Beauftragten reklamieren von Bund, Land und Kommunen mehr Engagement für mehr Inklusion im und durch Sport. Sie unterstützen die Beschlüsse der 48. Sportministerkonferenz vom September 2023 (vgl. Förderung und Unterstützung des Behindertensports und der Inklusion im Sport. Beschluss 48. Sportministerkonferenz vom 14. September 2023 in Herzogenaurach - 48.SMK-BV08/2023).
Die Beauftragten erklären:
- Öffentlichkeitswirksame Sportevents wie die Paralympics, die Deaflympics oder die Special Olympics sind wichtige Ereignisse für die Weiterentwicklung der Inklusion durch Sport. Obwohl auch diese sportlichen Höhepunkte nicht in erster Linie inklusiv sind, tragen sie dazu bei, dass Menschen mit Behinderungen überhaupt die Möglichkeit haben, sich im Sport zu messen und Menschen ohne Behinderungen ihre Haltung gegenüber Menschen mit Behinderungen verändern. Nationale und internationale inklusive Sportgroßveranstaltungen sind durch die mediale Verbreitung für die Bewusstseinsbildung (vgl. Artikel 8 UN-BRK) von besonderer Bedeutung. Eine Veränderung der Haltung ist durch inklusive Sportangebote regional, national und international möglich.
- Den Medien kommt eine besondere Verantwortung zu, mit und über Menschen mit Behinderungen zu berichten, der sie bei den Special Olympics World Games 2023 in Berlin nachgekommen sind. Über andere große und vergleichbare Events, wie Welt- und Europameisterschaften im Parasport, sollte mehr und intensiver berichtet werden. Mit dem Verweis auf Kosten und knappe Ressourcen verzichten viele auf die Berichterstattung. Die Vertreterinnen und Vertreter der Medien sollten alles daransetzen, dass die sportlichen Leistungen von Menschen mit Behinderungen in der Öffentlichkeit präsent sind.
- Menschen mit Behinderungen sollten am Breitensport auf allen Ebenen teilnehmen können. Dafür bedarf es seitens der Kreis-, Stadt- und Landessportbünde eines klaren Bekenntnisses zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, insbesondere durch den Einsatz von hauptamtlichen Inklusionscoaches. Durch eine barrierefreie Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit sollten Menschen mit Behinderungen auf bestehende Angebote hingewiesen werden. Zudem müssen die vorhandenen Angebote weiterentwickelt und weitere bedarfsgerecht geschaffen werden. Ergänzend ist es erforderlich, gezielte Förderprogramme aufzulegen, die die Sportvereine bei der Entwicklung und Umsetzung inklusiver Konzepte und Angebote unterstützen. Auf dieser Grundlage wird auch der organisierte Breitensport insgesamt weiterentwickelt.
- Menschen mit Behinderungen benötigen barrierefreie Sportstätten. Deshalb fordern die Beauftragten die Bundesregierung auf, die Offensive für Investitionen in Sportstätten aus dem Koalitionsvertrag unter besonderer Berücksichtigung von Barrierefreiheit und Inklusion auszuweiten. Länder, Kommunen und Träger von Einrichtungen müssen ihre Sportstätten barrierefrei gestalten und dabei die Expertise der Nutzenden mit und ohne Behinderungen einbeziehen (vgl. Artikel 9 UN-BRK). Der Sanierungs- und Modernisierungsstau bei den Sportstätten muss aufgelöst werden. Sportstätten müssen nachhaltig und barrierefrei gebaut und für alle Bevölkerungsgruppen erreichbar, zugänglich und nutzbar sein. Da vielen Kommunen hierfür die finanziellen Möglichkeiten fehlen, braucht es spezifische Förderprogramme, die es den Kommunen und Trägern ermöglichen, die Sportstätten vor Ort barrierefrei zu gestalten. Barrierefreie Sportstätten sind ein regionaler Standortvorteil.
- Die Hilfsmittelversorgung von Menschen mit Behinderungen, die Sport treiben möchten, ist oft ein Problem. Krankenkassen zahlen in der Regel die nötigen Sportorthesen oder den Sportrollstuhl nicht. Hier braucht es eine gute Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger, insbesondere der Krankenkassen und Eingliederungshilfeträger, mit dem Ziel einer bedarfsdeckenden Hilfsmittelausstattung - auch zur Teilhabe am Sport. Zur Vermeidung von Benachteiligungen der Menschen mit Behinderungen sind hier mindestens ein Umdenken bei den Leistungsträgern, wenn nicht sogar gesetzliche Änderungen, dringend erforderlich. Auch Mobilitäts- und Assistenzleistungen müssen gewährleistet sein. Die Beauftragten weisen darauf hin, dass der UN-Fachausschuss in seinen Abschließenden Bemerkungen zur aktuellen Staatenberichtsprüfung Deutschland aufgefordert hat, sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu kostenfreier persönlicher Assistenz haben, um ihr Recht auf Sport ausüben zu können.
- Zur Gewaltprävention sollten die Sportvereine und –verbände insbesondere die im SGB IX vorgesehenen„Übungen zur Stärkung des Selbstbewusstseins“ von Mädchen und Frauen mit Behinderungen durch ein bundesweit flächendeckendes Leistungsangebot umsetzen.
- Schulen profitieren vom partizipativen Aspekt des inklusiven Sports. Deshalb muss sichergestellt werden, dass Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen gleichberechtigt an Sportaktivitäten teilnehmen können. Das betrifft Angebote sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Bereich. Damit Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen die Möglichkeit haben, an Sportaktivitäten teilzunehmen, müssen Angebote der Anleitung, des Trainings und die dafür erforderlichen Ressourcen bereitgestellt werden.
- Die Beauftragten rufen Vereine und Verbände auf, sich inklusiv auszurichten. Dazu gehört auch, dass die Basisausbildung von Übungsleiterinnen und -leitern ein Pflichtmodul zum inklusiven Sport enthält. In Sportvereinen und -verbänden muss es auch die Möglichkeit geben, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt in Haupt- und Ehrenamtsstrukturen eingebunden sind.
- Der gleichberechtigte Zugang zu und das Studium von sportwissenschaftlichen Studiengängen muss für Menschen mit Behinderungen gewährleistet sein.
- Zur Weiterentwicklung der Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen in Sportvereinen fordern die Beauftragten die Förderung von bundesweiten partizipativen Forschungsprojekten, um eine belastbare Datenlage zu schaffen.
Potsdam, 17. November 2023