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„SOS nach Vergewaltigung“ – Erstversorgung soll weiter verbessert werden

Zweites Netzwerktreffen zum Modellprojekt „Medizinische Soforthilfe und vertrauliche Spurensicherung nach Vergewaltigung“ in Potsdam

- Erschienen am 08.11.2023 - Pressemitteilung 242/2023

Seit 2014 haben im Land Brandenburg Betroffene von Vergewaltigungen und anderen Sexualdelikten die Möglichkeit, in inzwischen zehn Kliniken vertraulich Spuren sichern zu lassen – ohne sofort Anzeige bei der Polizei erstatten zu müssen. Das Modellprojekt „Medizinische Soforthilfe und vertrauliche Spurensicherung nach Vergewaltigung“ unterstützt Betroffene sexueller Gewalt medizinisch, forensisch und psychologisch, ohne dass die Tat umgehend strafrechtlich verfolgt wird. Auf Einladung des Brandenburgischen Landesinstituts für Rechtsmedizin findet am heutigen Mittwoch (08.11.; 17 Uhr) ein zweites Netzwerktreffen „SOS nach Vergewaltigung“ aller beteiligten Akteurinnen und Akteure in Potsdam statt. Neben der Weiterentwicklung der Maßnahmen ist dabei das Thema „Vertrauliche Spurensicherung und Umgang mit Minderjährigen“ ein Schwerpunkt.

Frauenstaatssekretärin Dr. Antje Töpfer erklärt dazu: „Personen, die einen sexuellen Übergriff erlebten, stehen oft erst einmal unter Schock. Oft kommen die Täter aus dem Bekanntenkreis. Der Gang zur Polizei, um Anzeige zu erstatten, fällt nicht leicht. Es ist wichtig, dass Opfer medizinisch versorgt und auch Spuren der Tat dokumentiert und gesichert werden. Es ist deshalb sehr gut, dass immer mehr Kliniken sich an dem Modellprojekt beteiligen. Ich freue mich, dass Beteiligte aus so vielen Einrichtungen hier in Potsdam zusammenkommen, mit dem gemeinsamen Ziel, Opfer von sexueller Gewalt bestmöglich zu unterstützen. Gemeinsam leisten sie alle einen wichtigen Beitrag, um insbesondere Frauen in absoluten Ausnahmesituationen elementare emotionale und medizinische Hilfe zu bieten.“

Im Fall eines sexuellen Übergriffs ist es von größter Bedeutung, dass betroffene Personen professionelle Unterstützung erhalten und am besten umgehend ein Krankenhaus aufsuchen, um Verletzungen zu behandeln und mögliche Infektionen. Im Rahmen des Modellprojektes können Betroffene zudem – unabhängig von einer Anzeige bei der Polizei – bis zu drei Tage nach der Tat vertraulich Spuren sichern lassen. Diese können dann bei einem eventuell anschließenden Verfahren vor Gericht verwendet werden. Hierfür gibt es derzeit zehn Partnerkliniken im Land Brandenburg, die das Angebot der vertraulichen Spurensicherung rund um die Uhr anbieten.

Um eine möglichst zeitnahe Untersuchung, sowie Versorgung zu gewährleisten, wird das Netzwerk aus Partnerkliniken stetig ausgebaut. Neben der Gewinnung weiterer Anlaufstellen im gesamten Land Brandenburg betreut die Koordinierungsstelle des Modellprojektes auch die beteiligten Kliniken. So werden beispielsweise auch rechtliche Fragen im Zusammenhang mit den Arbeitsgrundlagen der Ärzteschaft behandelt. Darüber hinaus informiert die Koordinierungsstelle über neue Standards in der Umsetzung der vertraulichen Spurensicherung und zukünftig geplante Maßnahmen.

Natalie Stanislawski, Fachärztin für Rechtsmedizin, Brandenburgisches Landesinstitut für Rechtsmedizin: „Die adäquate Versorgung von Opfern sexualisierter Gewalt stellt eine anspruchsvolle interdisziplinäre Aufgabe dar, welche zuvorderst einen niederschwelligen und zeitnahen Zugang zu einer bedarfsorientierten medizinischen Versorgung und Spurensicherung sowie im Anschluss eine mögliche Nachversorgung durch Unterstützungseinrichtungen beinhaltet. Betroffenen diesen Zugang - vor allem wohnortnah - zu ermöglichen, stellt im Flächenland Brandenburg eine große Herausforderung dar. Ein jährliches Netzwerktreffen beteiligter Akteurinnen und Akteure fördert den so wichtigen multilateralen Austausch und die weitere Vernetzung der Fachkräfte aus Kliniken und Unterstützungseinrichtungen – auch im Sinne ihrer bedeutsamen Eigenschaft als Multiplikatoren. Als Koordinierungsstelle des Modellprojekts bieten wir den Mitwirkenden dabei Gelegenheit, Erfahrungen aus der individuellen Praxis zu präsentieren und offen zu diskutieren, sich zu projektbezogenen Weiterentwicklungen zu informieren und fortzubilden und damit zur Verstetigung des Angebots und einer weiteren Versorgungsoptimierung aktiv beizutragen.“

Der Opferhilfe Land Brandenburg e.V. ist Kooperationspartner des Modellprojekts und unterstützt mit sechs Fachberatungsstellen im Land Brandenburg sowie einem umfangreichen Beratungsangebot für Betroffene von körperlicher Gewalt. Die Gesamtleiterin der Beratungsstellen des Vereins, Susanne Ullrich, begrüßt die Veranstaltung und den direkten Kontakt zu den Partnerkliniken sowie zu den Teilnehmenden dieses breit gefächerten Netzwerkes: „Für Betroffene von Sexualstraften ist eine vollumfängliche medizinische Versorgung verbunden mit einer psychosozialen Nachsorge von sehr großer Bedeutung, um die Tatfolgen besser bewältigen zu können. Oftmals ist für sie das Tatgeschehen schambehaftet und verbunden mit Gefühlen von Hilflosigkeit, Ohnmacht und Ängsten. Mit der Erweiterung der Anlaufstellen für Betroffene von sexualisierter Gewalt sowie durch eine enge Vernetzung der Kliniken und weiterer Hilfesysteme sollen die Hürden der Inanspruchnahme von Hilfe- und Unterstützungsangeboten abgebaut und Informationen zur weiterführenden Nachsorge für Betroffene sichergestellt werden. Die Koordinierungsstelle des Modellprojektes trägt maßgeblich dazu bei, dass Informationen und Angebotsstrukturen öffentlich bekannt sowie fachliche Standards weiterentwickelt und umgesetzt werden. Dank der Beteiligung von insgesamt zehn Partnerkliniken, die im Land Brandenburg bei der Durchführung vertraulicher Spurensicherungen unterstützen, wurde im Jahr 2023 ein bedeutender Meilenstein für Gewaltopfer erreicht.“

Hintergrund

Das Modellprojekt „Medizinische Soforthilfe und vertrauliche Spurensicherung nach Vergewaltigung“ richtet sich an Frauen und Männer, welche im Rahmen der klinischen Betreuung unverzüglich zu der entsprechenden Station weitergeleitet werden. Dort wird in ruhiger Atmosphäre das weitere Vorgehen mit der Ärztin oder dem Arzt beraten. Auf Wunsch werden auch Kontakte zu Opferunterstützungseinrichtungen vermittelt und die Betroffenen nachsorgend beraten.

Die vertrauliche Spurensicherung wird in zehn Brandenburger Kliniken angeboten: Carl-Thiem-Klinikum Cottbus, Klinikum Ernst von Bergmann Potsdam, Alexianer St. Josefs-Krankenhaus Potsdam-Sanssouci, Klinikum Frankfurt (Oder), Universitätsklinikum Ruppin-Brandenburg (Neuruppin), Universitätsklinikum Brandenburg an der Havel, Oberhavel Kliniken (Oranienburg), sowie seit dem 1. November 2023 auch im Kreiskrankenhaus Prignitz (Standort Perleberg), Asklepios Klinikum Uckermark (Standort Schwedt/Oder) und im GLG Werner Forßmann Klinikum Eberswalde.

Weiterführende Informationen zum Modellprojekt

https://msgiv.brandenburg.de/msgiv/de/themen/frauen-und-gleichstellung/frauen-vor-gewalt-schuetzen/hilfe-nach-vergewaltigung/

Kontaktdaten der Koordinierungsstelle

Brandenburgisches Landesinstitut für Rechtsmedizin (BLR)
Lindstedter Chaussee 6, 14469 Potsdam
Telefon: 0331 56 85-0
E-Mail: vss@blr.brandenburg.de