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Bundesrat - Ministerin Karawanskij: „Opfer von Terror und Gewalt müssen schneller Hilfe bekommen“

- Erschienen am 20.09.2019 - Pressemitteilung 146/2019

Das Soziale Entschädigungsrecht muss reformiert werden, besonders im Umgang mit Opfern terroristischer Gewalttaten. „Wir brauchen ein zeitgemäßes Entschädigungsrecht, mit dem der Staat seiner besonderen Verantwortung nicht nur gegenüber den Opfern beider Weltkriege, sondern auch gegenüber Opfern von Terror und Gewalt gerecht werden kann. Opfer und Hinterbliebene müssen schneller Hilfe bekommen. Der Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 hat dieses Anliegen noch dringlicher gemacht“, sagte Brandenburgs Sozialministerin Susanna Karawanskij heute in Berlin. Dort wurde im Bundesrat der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts eingebracht. Die Länder hatten bereits bei der Arbeits- und Sozialministerkonferenz 2017 in Potsdam die Notwendigkeit einer Reform bekräftigt.

Ministerin Karawanskij kritisierte den Gesetzentwurf: „Eine grundlegende Erneuerung des Sozialen Entschädigungsrechts ist nicht gelungen. Insbesondere ist das vorliegende Regelwerk weit hinter den Möglichkeiten einer adressatenorientierten Leistungserbringung und Verwaltungsvereinfachung zurückgeblieben. Die Erwartungen an schnellstmögliche unbürokratische Hilfe und respektvollen, sensiblen Umgang mit den Betroffenen sind hoch. Der derzeitige Entwurf wird einer Reform, die das Attribut ‚zeitgemäß‘ verdient, jedenfalls nicht gerecht. Hier muss deutlich nachgebessert werden.“

Besonders misslich sei, dass berechtigte Personen nach dem Entwurf die benötigten Leistungen der Heil- und Krankenbehandlung nicht aus einer Hand erhalten sollen. Stattdessen sollen Krankenkassen, Versorgungsverwaltung, Pflegekassen und Unfallkassen der Länder verschiedene Leistungen – je nach Leistungskatalog im zugrundeliegendem Sozialgesetzbuch – erbringen. Durch ein noch weiter zersplittertes Leistungssystem entstünden somit völlig unnötig Schnittstellen, Zuständigkeitsfragen und erhöhter Koordinierungsbedarf. „Es wird die Chance auf ein deutlich verschlanktes Verwaltungsverfahren, das Betroffene und Versorgungsbehörde gleichermaßen entlastet, vertan.“

Gleichwohl weise der Entwurf deutliche Verbesserungen der Versorgung von Geschädigten auf. Karawanskij betonte: „Ich finde es völlig richtig, dass der Gewaltbegriff mit dem neuen Gesetz umfassender gefasst werden und nunmehr auch die vielfältigen Formen psychischer Gewalt, die es in unserer Gesellschaft leider gibt, einschließen soll.“ Hilfe und Entschädigung nach einer Gewalttat werden deshalb künftig mehr Betroffene als bisher erhalten können, zudem gibt es für schnelle und zielgerichtete Hilfe neue Leistungsformen. Es sei deshalb aber auch folgerichtig, so Karawanskij weiter, dass über die Anteile an den Kosten zwischen Bund und Ländern neu verhandelt werden müsse.

Das neue Entschädigungsrecht soll wegen des benötigten zeitlichen Vorlaufs erst am 1. Januar 2024 in Kraft treten. Regelungen für erhöhte Waisenrenten und zur Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Gewaltopfer sowie zu weiteren Verbesserungen, die der Beauftragte der Bundesregierung für die Opfer und Hinterbliebenen des Terroranschlags auf dem Breitscheidplatz, Ministerpräsident a.D. Kurt Beck, in seinem Abschlussbericht gefordert hatte, sollen hingegen bereits rückwirkend zum 1. Juli 2018 gelten.

Hintergrund

Wer in Deutschland einen gesundheitlichen Schaden erleidet, für dessen Folgen die Gemeinschaft in besonderer Weise einzustehen hat, hat Anspruch auf Versorgung im Rahmen der Sozialen Entschädigung.

Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialen Entschädigungsrecht haben:

  • Kriegsbeschädigte nach dem Bundesversorgungsgesetz,

Impfgeschädigte nach dem Infektionsschutzgesetz, Personen, die aus politischen Gründen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in Gewahrsam genommen wurden, nach dem Häftlingshilfegesetz, Opfer von Gewalttaten nach dem Opferentschädigungsgesetz, Opfer rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen in der ehemaligen DDR nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz, Opfer rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen in der ehemaligen DDR nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz

sowie Hinterbliebene dieser Personen. Für die Durchführung des Sozialen Entschädigungsrechts im Land Brandenburg ist das Landesamt für Soziales und Versorgung (LASV) zuständig. Der Bund trägt die Kosten für die Geldleistungen nach diesen Gesetzen zu bestimmten Anteilen mit, für Kriegsopfer in vollem Umfang.

Bei der 94. Arbeits- und Sozialministerkonferenz, die im Dezember 2017 in Potsdam stattfand, hatten die Länder bekräftigt, gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales weiter an der Reform des Sozialen Entschädigungsrecht zu arbeiten. Nach einem einstimmigen Beschluss sollte insbesondere die Frage geklärt werden, wie Opfer terroristischer Gewalttaten oder sonstiger Gewaltexzesse künftig vom Staat bessere Hilfe- und Unterstützungsleistungen erhalten.