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Rede von Gesundheitsministerin Nonnemacher im Landtag am 12.11.2020: "Sie machen sich mit Ihrer aggressiven Realitätsverleugnung einfach nur noch lächerlich"

Es gilt das gesprochene Wort

- Erschienen am 12.11.2020 - Presemitteilung Rede

Rede von Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher im Landtag am 12.11.2020 zum Antrag der AfD-Fraktion "Rationaler Umgang mit SARS-CoV-2":

Anrede!

Als ich am Reformationstag las, dass unser tiefkatholisches Nachbarland Polen zu Allerheiligen am 1.11. zur Vermeidung weiterer Corona-Ansteckungen eine dreitägige Schließung aller Friedhöfe angeordnet hatte, wurde mir schlagartig klar, wie verzweifelt die Lage bezüglich der Pandemie dort sein muss. In Polen gehört Allerheiligen zu den höchsten und wichtigsten Feiertage überhaupt und das ganz Land ist in Bewegung, um die Grabstätten von Verwandten und Freunden aufzusuchen. Angesichts der massiv steigenden Infektionszahlen und Todesfällen sei aber ein Zusammentreffen einer großen Anzahl Menschen nicht verantwortbar, ließ die polnische Regierung verlautbaren. Der polnische Ministerpräsident Morawiecki wird folgendermaßen zitiert: „Viele ältere Menschen, die auf den Friedhof gehen und das Grab ihres Ehepartners besuchen, könnten sonst in 3 Wochen ebenfalls dort liegen."

Vorgestern las ich mit großem Interesse den offenen Brief von 60 Schweizer Ökonomen und Ökonominnen mit dem Titel: "Die Schweiz braucht einen zweiten Lockdown"! Die Wissenschaftler*innen unterschiedlicher Spezialgebiete führten darin aus, dass in der Schweiz mit einer der höchsten Infektionsraten weltweit und einer exponentiell steigenden Hospitalisierungs- und Sterberate nur durch einen sofortigen Lockdown - flankiert von fiskalischen Unterstützungsmaßnahmen - unermesslicher Schaden vom Land fernzuhalten sei. Sie sprachen dabei sowohl von ökonomischem Schaden als auch einer Überlastung des Gesundheitssystems und einer inakzeptablen Todesrate. In der
augenblicklichen epidemiologischen Situation des Landes gäbe es keinen Zielkonflikt zwischen Wirtschaft und Gesundheit - die Folgen der ungehemmten Virusverbreitung  seinen gleichermaßen desaströs.

Wenn wir uns umschauen in Europa: egal ob das sozialistisch regierte Spanien, Frankreich unter Macron, die östlichen Nachbarn Tschechien und Polen, Italien, Österreich, das Vereinigte Königreich unter Boris Johnson, die Niederlande oder Belgien: überall gehen in Ländern mit vergleichbaren sozioökonomischen Verhältnissen die Gesundheitssysteme in die Knie und es müssen zum Teil drastische Eindämmungsmaßnahmen verhängt werden, die weit über den verabredeten Teil-Lockdown in Deutschland hinausgehen. Sind dort überall Spinner oder Volksfeinde am Werk? Geht dies auf dunkle Machenschaften der Coronadiktatorin Merkel oder den Mephisto Prof. Drosten zurück?

Sie machen sich mit Ihrer aggressiven Realitätsverleugnung einfach nur noch lächerlich und ich frage mich, wie Sie mit Ihrer unverantwortlichen Haltung den vielen Menschen noch in die Augen schauen können, die selbst schwer erkrankt sind, unter Folgeschäden leiden oder gar einen geliebten Menschen durch die Krankheit verloren haben. Ihre Einstellung erinnert an die Haltung des noch amtierenden Präsidenten der Vereinigten Staaten, der wie ein jähzorniges Kind wütet und Wahlbetrug unterstellt, wenn das Ergebnis einer demokratischen Wahl nicht seinen Wünschen entspricht. Was nicht sein darf, das wird durch Umdeutung der Realität einfach eliminiert.

Während ich aber geneigt bin, den vielen Esoterikern, die in Leipzig Seit an Seit mit gewalttätigen Rechtsextremisten ihren Namen tanzen, noch Naivität zu unterstellen, so handelt es sich bei Ihnen um knallhartes politisches Kalkül.

Auch ein Laborarzt von der AfD ist in der Lage eine Exponentialfunktion zu interpretieren. Sie biedern sich der rasch steigenden Zahl an Menschen an, die sektiererischen Lehren oder Verschwörungstheorien folgen. Beunruhigende Weltlagen wie eine Pandemie durch einen neuartigen Erreger sind immer ein guter Nährboden für Irrlehren aller Art.

Hören Sie einfach auf, uns mit Coronaleugnung in jeder Variation zu überziehen! Der selektive Schutz vulnerabler Gruppen ist nicht möglich, die Erkrankung steigt gerade in den älteren Jahrgängen wieder sehr stark an. Wir werden noch in diesem Monat 6000 Menschen in Deutschland in Intensivbehandlung haben - Menschen, die um ihr Leben kämpfen. Sie haben nicht nur nichts anzubieten, um das Problem zu lösen und die Menschen zu schützen. Nein, durch Aufhetzung und Ihre unverantwortlichen Großdemonstrationen boustern Sie das Infektionsgeschehen in unverantwortlicher Weise. Jede Kundgebung eine Masernparty mit Ansage!

Der Antrag ist selbstverständlich abzulehnen. Und ansonsten empfehle ich:
irrationalem Unsinn einfach mal weniger Bühne geben!

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Ident-Nr
Rede
Datum
12.11.2020