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Sozialministerin Golze: Menschen mit Behinderungen brauchen bessere Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt

- Erschienen am 01.07.2015 - Presemitteilung 097/2015

Der allgemeine Arbeitsmarkt ist für Menschen mit Behinderungen nach wie vor schwer zugänglich. Besonders Menschen, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) beschäftigt sind, gelingt der Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt nur sehr selten. Das ist ein Ergebnis einer Studie, die im Auftrag des Sozialministeriums und des Landesamtes für Soziales und Versorgung (LASV) die Beschäftigungssituation in WfbM im Land Brandenburg untersuchte. Die Studie wird heute auf einer Fachkonferenz in Rheinsberg vorgestellt und diskutiert. Sozialministerin Diana Golze eröffnete die Konferenz und sagte: „Für viele Menschen mit Behinderungen ist es immer noch keine Selbstverständlichkeit, eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden. Ihre beruflichen Chancen müssen verbessert werden. Die Studie liefert dafür gute Ansätze.“

In Brandenburg gibt es 28 anerkannte Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, in denen rund 11.500 Menschen mit Behinderungen arbeiten. Damit ist die Zahl der Beschäftigten in WfbM in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 50 Prozent gestiegen: im Jahr 2003 waren es noch 7.600. Zwischen 2007 und 2013 fanden nur 127 Personen, die zuvor in einer WfbM beschäftigt waren, eine Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Golze sagte: „Werkstätten leisten einen wichtigen Beitrag zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Sie bleiben auch in Zukunft unverzichtbar vor allem für Menschen mit einer besonders schweren Behinderung. Die Werkstätten müssen aber stärker als bisher als ein Ort der beruflichen Rehabilitation verstanden werden, von dem aus es mehr Menschen mit einer Behinderung gelingt, auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Stelle zu finden. Auch behinderte Menschen mit einem hohen Unterstützungsbedarf haben ein Wunsch- und Wahlrecht, wo und wie sie arbeiten wollen. Dafür brauchen sie berufliche Alternativen und Übergangswege zwischen Werkstatt und allgemeinem Arbeitsmarkt. Wie die UN-Behindertenrechtskonvention fordert, hat jeder Mensch ein Recht auf Arbeit. Das setzt einen freien Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt für alle voraus.“

Marlies Reidow, Direktorin der Abteilung „Berufliche und soziale Teilhabe“ im LASV, sagte: „Seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009 hat es auch in Brandenburg viele positive Veränderungen und eine breite angeregte öffentliche Diskussion gegeben. Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wurden gestärkt, der gesetzliche Auftrag der Werkstätten für Menschen mit Behinderung, den Übergang in den ersten Arbeitsmarkt zu fördern, wurde verdeutlicht. Die hohe Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer für diese Konferenz zeigt, wie groß das Interesse aller beteiligten Akteure an der Thematik ist. Es freut mich daher besonders, dass wir unseren neuen Film ‚Wege in Arbeit - Es lohnt sich!‘ präsentieren können. Er zeigt, wie Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf ihren Platz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt finden können, und soll Mut machen, mehr Teilhabe zu wagen. Der Film ermöglicht auch einen Blick auf das Modellprojekt ‚Wege in Arbeit‘ in der Prignitz und macht deutlich, wie wichtig ein funktionierendes Netzwerk beim Übergang aus der WfbM auf den ersten Arbeitsmarkt ist.“

Dr. Jörn Sommer, Leiter der Studie, sagte: „Eine Weiterentwicklung der Werkstätten für behinderte Menschen scheint geboten. Denn die Struktur der Menschen, die dort arbeiten, hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Kam im Jahr 2007 noch die Hälfte aller Beschäftigten direkt aus einer Förderschule in die WfbM, war das sieben Jahre später nur noch ein gutes Drittel. Dem gegenüber verdoppelte sich der Zugang der Beschäftigten, die zuvor nach einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeitslos waren, auf 17 Prozent. Damit verändert sich auch die Art der Behinderungen der WfbM-Beschäftigten. Die Zahl der Menschen mit einer geistigen Behinderung geht zurück, die psychischen Behinderungen nehmen zu. Auch die Altersstruktur in der Belegschaft verschiebt sich. Im Jahr 2007 waren über 70 Prozent der neuen Beschäftigten in WfbM unter 31 Jahre alt, im Jahr 2013 waren das nur noch 57 Prozent. Wenn die WfbM eine wichtige Säule im System der beruflichen Rehabilitation bleiben sollen, muss vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention die Durchlässigkeit aus der WfbM in den allgemeinen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt erhöht werden.“

Laut der Studie gehört zu den Merkmalen von Übergängen aus WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, dass sie in eher „engen, überschaubaren sozialräumlichen Kontexten erfolgen“. Förderlich für gelingende Übergänge ist eine Kooperation der verschiedenen lokalen Akteure. Dazu zählen neben den WfbM die örtlichen Sozialhilfeträger, die Agenturen für Arbeit, der Deutsche Rentenversicherungsträger, Jobcenter, zugelassene kommunale Träger, das Integrationsamt, die regionale Wirtschaft, Beratungsfachdienste sowie die Kammern.

Golze sagte: „Ein Ergebnis der Studie ist, dass wir die Zusammenarbeit der verschiedenen Arbeitsmarktakteure vor Ort vertiefen wollen. Dabei können vor allem die Kammern ein wichtiger Türöffner sein bei der Suche nach Arbeitgebern, die Menschen mit Behinderungen einstellen. Die Studie zeigt, dass die Akzeptanz für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen bei allen Arbeitsmarktakteuren vorhanden ist. Gemeinsam müssen wir die individuellen Potenziale von Menschen mit Behinderungen noch gezielter fördern, um sie für eine Beschäftigung unter regulären Bedingungen fit zu machen. Außerdem sollten wir Arbeitgeber stärker unterstützen, damit sie in ihren Unternehmen für diese Menschen entsprechende Arbeitsplätze schaffen können.“

Insgesamt haben sich die Chancen auf dem Arbeitsmarkt für schwerbehindere Menschen in Brandenburg verbessert. So sank in den vergangenen vier Jahren die Zahl der arbeitslos gemeldeten Menschen mit einer Schwerbehinderung um 20 Prozent, im gesamten Bundesgebiet hat diese Zahl im gleichen Zeitraum leicht zugenommen. Aktuell sind in Brandenburg rund 6.000 Schwerbehinderte bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitslos gemeldet.

Mit Programmen des Sozialministeriums konnten gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit fast 400 neue dauerhafte Arbeitsstellen für arbeitslose Menschen mit Schwerbehinderung geschaffen und besetzt werden. Zudem wurden über 70 neue betriebliche Ausbildungsstellen für junge Menschen mit Schwerbehinderung gefördert. Mit dem im letzten Jahr gestarteten Landesförderprogramm „Inklusive Ausbildung und Arbeit“ wurden die Förderungen in Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit weiter ermöglicht. Zudem unterstützt ein Sonderprogramm bestehende Integrationsunternehmen bei der Beschäftigung besonders betroffener Menschen mit Behinderungen.

Die 180 Seiten umfassende Studie „Rahmenbedingungen für den Übergang aus Werkstätten für Menschen mit Behinderungen (WfbM) auf den allgemeinen Arbeitsmarkt – Untersuchung der Beschäftigungssituation in WfbM im Land Brandenburg“ wurde von der InterVal GmbH Berlin und dem Lehrstuhl für Soziale und Berufliche Rehabilitation der Universität Magdeburg erstellt. Eine Landesarbeitsgruppe aus Leistungsträgern, Leistungserbringern, Interessenvertretungen von Menschen mit Behinderungen und der Landessozialverwaltung hat die Arbeit begleitet. Die Landesarbeitsgemeinschaft der WfbM und die Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstatträte haben die Arbeit unterstützt. Die Studie wurde aus Mitteln der Ausgleichsabgabe finanziert.

Die Studie ist auf der Internetseite des Sozialministeriums veröffentlicht: http://www.masgf.brandenburg.de/media_fast/4055/Brandenburger%20WfbM-Studie_Juni%202015.pdf.

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Ident-Nr
097/2015
Datum
01.07.2015
Rubrik
Soziales